Das Ende des Geoblocking – und dann?

GeoblockingDie EU-K0mmissionmit ihrem Digitalkommissar Günther Öttinger hat vor Weihnachten einen Vorschlag gemacht, wie das umstrittene (und, sind wir mal ehrlich: äußerst nervige) Geo-Blocking in Zukunft weitgehend abgeschafft werden kann. Damit würde endlich ein Zustand beendet, den schon heute niemand wirklich versteht: Wenn ich als deutscher Staatsbürger in Deutschland einen Video-Dienst wie z. B. Netflix abonniert habe, ist erstmal alles schön und gut. Wenn ich nun aber ins Nachbarland Holland fahre, dann  sehe ich auf einmal nur noch Inhalte, die Netflix in Holland anbietet. Und wenn ich – noch schlimmer! – auf die Idee käme, mich ins Nachbarland Polen zu begeben, dann wird´s komplett Zappenduster. Denn in Polen ist Netflix nicht verfügbar.

Und nun kommt ein Phänomen zum tragen, das man bei technischen Beschränkungen immer wieder sieht: Wer sich einigermaßen auskennt, kann das Geoblocking sehr leicht umgehen. VPN heißt das Zauberwort, das dazu führt, dass Netflix mich auch dann bedient, wenn ich mich in Polen aufhalte. Aber nur, wenn ich weiß, wie das geht. Der berühmte Otto Normalverbraucher steht dagegen im Regen.

Es wird also höchste Zeit, dass dieser Blödsinn endlich aufhört.

Eine andere Sache ist allerdings die Frage, was mit den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender passiert. Denn: Auch hier wird derzeit flächendeckend geo-geblockt. Die Sachlage ist allerdings hier komplett anders zu bewerten als bei Streaming-Diensten wie Netflix. Denn schließlich werden die öffentlich-rechtlichen Sender, also beispielsweise die britische BBC oder die deutsche ARD, mit Steuergeldern alimentiert. Diese Steuergelder werden dann dazu verwendet, Content zu erstellen – also etwa den deutschen „Tatort“ oder den britischen „Sherlock“. Heute werden diese Inhalte unter anderem dadurch refinanziert, dass sie kostenpflichtig an ausländische Sender lizensiert werden und diese Sender die Inhalte dann in ihrem jeweiligen Land verwerten.

Dieses Geschäftsmodell würde in dem Moment zwangsläufig enden, in dem den Sendern verboten wird, Geoblocking zu betreiben.

Allerdings gibt es auch hier eine Lösung. Man müßte nämlich einfach nur umstellen von einer ortsbasierten zu einer personenbasierten Nutzerverwaltung. Sprich: Es darf nicht mehr jeder ARD gucken, der sich in Deutschland aufhält (also auch jemand, der beispielsweise Brite ist und hierzulande eine Geschäftsreise macht), sondern jeder deutsche Staatsbürger darf ARD gucken (und jeder Brite BBC), egal wo auf der Welt er sich aufhält. Technisch wäre das leicht umsetzbar, und die Authentifizierung wäre leicht möglich, etwa per Kreditkarte oder elektronischem Personalausweis.

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Google setzt „Recht auf Vergessen“ um

20140530-075138-28298374.jpgEs ist eine kleine Überraschung: nur zwei Wochen nach dem Urteil des europäischen Gerichtshofs zum „Recht auf Vergessen“ im Internet setzt er Suchmaschinenbetreiber Google das Urteil auch schon um. seit gestern gibt es hier ein Formular, das man ausfüllen kann, wenn man bestimmte Seiten aus dem Suchindex von Google gelöscht haben möchte. Freilich ist dafür als Legitimation eine Kopie des Ausweises oder Führerscheins notwendig. Außerdem behält sich Google die Prüfung der Anträge und eine eigene Entscheidung darüber vor. Auf der Seite selbst steht als Begründung zu lesen, man wolle sich und den Antragsteller vor Identitätsdieben schützen.
Eines sollte jedem Antragsteller allerdings klar sein: mit der Löschung bei Google passiert auch „nur“ das. Bei anderen Suchmaschinen wie etwa Microsofts Bing bleibt man weiterhin auffindbar. Und außerdem verschwinden durch die Löschung bei Google natürlich nicht die eigentlichen Webseiten aus dem Netz, auf die Google verlinkt hatte. Es wird lediglich der Link im Google Index entfernt.
Google selbst legt in Person von CEO Larry Page und Aufsichtsratschef Eric Schmidt größten Wert auf die Feststellung, dass man das Urteil des EuGH nach vor nicht gut finde. Schmidt verweist darauf, man habe es bei dem Thema mit Balance aus „Recht auf Vergessen“ und „Recht auf Wissen“ zu tun. Und diese Balance sei mit dem Urteil aus dem Gleichgewicht gekommen.
Da ist sicherlich etwas dran. Und außerdem stellt sich die Frage, ob nun nicht andere Anbieter auf den Plan treten werden, die etwa aufgrund eines Firmensitzes außerhalb der EU das Urteil einfach umgehen können. Unter dem Strich steht zweierlei: einerseits ein für viele sicherlich überraschend gesetzestreues Verhalten von Google. Und auf der anderen Seite ein weiteres Beispiel dafür, dass die Justiz technisch und inhaltlich nicht unbedingt auf der Höhe der Internetzeit angekommen ist.

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Apollo London: Das Versagen der öffentlich-rechtlichen

Das nennt man wohl „Breaking News“ heutzutage: In einem Londoner Theater stürzt gegen 20:15 Ortszeit (21:15 in Deutschland) die Decke ein, nach aktuellem Stand gibt es zwischen 20-40 Verletzte, möglicherweise Tote.

Wer die aktuelle Nachrichtenlage wissen möchte, sollte allerdings englisch können: CNN, BBC, Guardian – sie alle sind auf aktuellem Stand.

Die deutsche Online-Presse dagegen wurde weitgehend auf dem falschen Fuß erwischt – die Praktikanten haben schließlich schon längst Feierabend, auch bei den Leitmedien tut nur noch die Notbesetzung Dienst. Deshalb gibt es bei Spiegel, Focus und Co nur News-Schnipsel, die den Fakten hinterherhinken. Selbst die Welt hat nur eine kurze Meldung – obwohl Bild.de, immerhin ebenfalls aus dem Hause Springer, bereits mit dem Thema aufmacht.

Ein Armutszeugnis ist jedoch mal wieder die Leistung, die die öffentlich-rechtlichen Sender bringen. Ol´ Blue Eyes Klaus Kleber ist mit dem heute-journal auf Sendung. Das Ereignis ist immerhin schon eine Stunde her, als Kleber zum Ende der Sendung etwas erzählt von einem „Vorfall“ im Apollo-Theater, bei dem möglicherweise ein Teil der Ränge eingestürzt sei.

Nein! Nicht die Ränge! Das Dach!

Viele andere Medien wissen das bereits, Twitter und Facebook „wissen“ das natürlich sowieso, dort gibt es auch O-Töne.

Nun ist natürlich klar, dass die Geschwindigkeit von Twitter und Facebook in der Natur der Sache liegt. Die Aufgabe der Presse wäre es jetzt aus meiner Sicht, dieses Material bitteschön zu sichten und zu prüfen – und mir dasjenige daraus zu präsentieren, das sich verifizieren läßt.

Aber: Nichts davon. Man arbeitet beim heute journal offenbar immer noch wie vor 25 Jahren, als es noch kein Internet gab. Ich verstehe beim besten Willen nicht, warum wir uns in Deutschland ein derartig schweineteures System öffentlich-rechtlicher Medien leisten – wenn ich im „Ernstfall“ zur BBC umschalten muß, um zu erfahren, was wirklich los ist.

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Die Paywall der Rhein-Zeitung: Ohne Phantasie

rheinzeitungSeit gestern ist es soweit: Die Koblenzer  „Rhein-Zeitung“, einer der Internet-Pioniere in der Branche, hat jetzt eine Paywall.

Genau gesagt: eine Paywall mit Löchern drin. Denn 10 Artikel darf weiterhin jeder pro Monat kostenlos lesen, auch die so genannten „Mantel-Inhalte“, also alles Überregionale, bleiben frei zugänglich, ebenso alles, was bei Facebook oder Twitter gepostet wird. Im Endeffekt steht die Mauer also nur vor den lokalen Inhalten. Das ist, wenn man es genau betrachtet, fast genau das gleiche Modell, wie es auch die „New York Times“ gewählt hat. Auch dort ist nach 10 Artikeln erstmal Schluß.

Dieses Modell hat aus meiner Sicht zwei ganz klare Sollbruchstellen.

  1. Wer sagt, dass der elfte Artikel, den ich gerne lesen möchte, ausgerechnet so hammermässig spannend ist, dass ich für genau diesen Artikel über die „Paywall“ springe? In der aktuellen Online-Ausgabe der Rheinzeitung sind im Lokalteil unter anderem auch Themen wie „Foto-Freunde präsentieren Kräuter-Impressionen im Stöffel-Park“ (???) im kostenpflichtigen Bereich. Sowas lese ich vielleicht im Vorbeigehen, wenn ich gerade nichts besseres zu tun habe – aber zum Portemonnaie greife ich hier nicht. Bei anderen Geschichten – wie etwa der Seilbahn in Koblenz oder der Sache mit Amazon und den Tarifverträgen für die Mitarbeiter vielleicht schon eher. Ich frage mich deshalb, ob nich ein Paywall-Modell besser wäre, das auf irgendeine Weise den „Nachrichtenwert“ (ich weiß schon, den kann man nicht objektiv messen) einer Geschichte berücksichtigt.
  2. Die Struktur einer deutschen Regionalzeitung ist grundlegend anders als die eines Weltblattes wie der „New York Times“. Zum Beispiel hängt das Geschäft eines regionalen Verlages immer in hohem Maße (print wie online) an den Anzeigenrubriken. Die aber kann man online gar nicht absperren, weil es in allen klassischen Rubriken (mit Ausnahme der Todesanzeigen) viel, auch viel kostenlose, Online-Konkurrenz gibt. In einem weiteren wichtigen Feld, dem lokalen Sport, verhält es sich genauso. Ich frage mich deshalb, ob eine so löchrige, so „kleine“ Paywall wie die in Koblenz nicht doch eher symbolischen Charakter hat. Ein richtig schlaues, richtig neues Modell kann ich jedenfalls nicht darin erkennen.

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Hübsche Idee: Zeit online mit Bookmarks der Redaktion

zeit_bookmarksEine schöne Idee habe ich heute auf der Website der Zeit im „Digital-Ressort“ gefunden. Mitten im Strom der Nachrichten steht da eine Box mit der Überschrift „Das liest das Digital-Ressort“. In der Box laufen dann als vertikaler Ticker Anreißer der betreffenden Seiten oder Artikel durch.

Ich finde, das ergänzt das redaktionelle Angebot sehr schön, verbreitert es gewissermaßen und hebt es auf eine persönlichere Ebene. Natürlich wird damit ein Stück weit meine Neugierde angesprochen, denn mich interessiert ja schon irgendwie, was die schlauen Leute von der „Zeit“ selbst so lesen.

allthingsdEin ähnliches Element hat seit geraumer Zeit schon das von mir sehr geschätzte „Allthingsd“ auf der Homepage, also der Digital-Ableger der Washington Post. Hier findet man unter der Überschrift „Must-Reads“ immer eine sehr gute Auswahl von Artikeln, die auf anderen Websites veröffentlicht wurden.

Bei solchen Sachen neigen klassische Journalisten ja immer sehr leicht zu Panik-Attacken, weil sie denken, jeder Link nach außen sei ein Armutszeugnis für die eigene Site. Ich sehe das nicht so, ganz im Gegenteil: Oft sind die „Must-Reads“ das einzige, was ich bei „Allthingsd“ lese – mit anderen Worten: Gäbe es sie nicht, würde ich die Seite überhaupt nicht besuchen.

Ich denke also, solche ganz bewußt gesetzten und sorgfältig ausgewählten Links nach außen sind eine Aufwertung für jedes gute Online-Portal. Nicht zuletzt entsprechen sie der grundlegenden Natur des Internets.

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Die deutsche „Huffington Post“ startet

Bildschirmfoto 2013-10-10 um 11.23.28Nach all der Häme, die sich vor allem in den Sozialmedien in den letzten Tagen über das Projekt „deutsche Huffington Post“ ergossen hat (Zeter! Boris Becker macht mit! Mordio! Cherno Jobatey ist dabei!!!), geht es seit heute um die Wurst. Vor einer guten Stunde ist die deutsche Ausgabe der „Huffington Post“ offiziell gestartet.

Der Eindruck, den die Website auf mich macht, ist noch sehr gemischt. Das beginnt beim Aufmacher, der sehr nach Bildzeitung klingt und den ich journalistisch nicht nachvollziehen kann (die Meldung, dass angeblich jeder dritte Deutsche Neuwahlen will, habe ich noch nirgends anders gelesen, was ich aber erwarten würde, wenn das eine große, ernstzunehmende Studie wäre). Und so geht es auf der Seite weiter: Aha, ein Dreamliner hat mal wieder umkehren müssen, weil die Toiletten defekt waren. Soso, die „deutschen müssen ihre Körpersprache ändern“ (???). Zwischen diesen Kuriositäten offensichtliche Spinoffs der amerikansichen Huffpost-Mutter („Reportage aus dem Todestrakt“) und die normale Nachrichtenkost, die ich heute auch auf allen anderen großen Nachrichtensites finde (der berühmte Bischofssitz in Limburg, der Machtpoker bei den Grünen).

Dies alles findet bei der Huffpost in der mittleren von drei Content-Spalten statt – und das brauche ich so eigentlich nicht, zumal die Artikel nicht besonders tief gehen, jedenfalls nicht so tief wie die Meldungen bei der Konkurrenz.

Interessant ist dagegen die linke Spalte: hier findet man in regelmässigem HTML5-Wechsel die Beiträge der „Gastautoren“ von Boris Becker bis Nicolas Berggruen und Ursula von der Leyen. Es liegt in der Natur der Sache, dass das zum großen Teil natürlich keine aktuellen Beiträge sind, sondern eher Aufsätze im Stil eines Leitartikels. Der Themenmix ist durchaus interessant, er reicht von Gedanken über die Zukunft der Arbeitswelt über das für und wider der Todesstrafe bis hin zu Ausführungen über das sichere Speichern von Daten in der Cloud.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich diese Spalte zu etwas orignellem, einzigartigem entwickelt. Momentan aber kommt mir das alles noch relativ beliebig vor. Man muß also mal abwarten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist mir die Huffington Post insgesamt noch zu konventionell und noch nicht wirklich Fisch oder Fleisch.

Gar nicht gefällt mir hingegen die mobile Website, die auf der Homepage ausschließlich die teils sehr nichtssagenden Schlagzeilen anbietet. Hier müssen die Verantwortlichen dringend nochmal ran und entweder bessere Überschriften machen oder wenigstens einen kurzen Textvorspann zusätzlich anbieten.

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Die Paywall bei der „Bild“: Ich versteh´ sie nicht

Groß war sie angekündigt worden: Die so genannte „Paywall“ bei der elektronischen Variante der Bild-Zeitung: Seit 11. Juni muß man nun für einige Inhalte der Homepage Geld bezahlen. Die Abomodelle reichen dabei von 99 Cent (im Testzeitraum, später 1,99) im Monat bis zu über zehn Euro für das Komplettpaket inklusive Bundesliga.

Allein: Ich verstehe das Ganze nicht.

Um die Reichweite (und damit die Werbe-Erlöse, die sich aus den Klickzahlen auf die Seiten speisen) nicht zu gefährden, ist weiterhin das meiste kostenlos zu lesen – unter anderem auch das berühmte „Bild-Mädchen“. Bei meinem Test war beispielsweise die gesamte Berichterstattung über die „Jahrhundert-Flut“ frei zugänglich. Ein Bericht über den Aleppo-Besuch des Schauspielers Jan Josef Liefers (der „Professor Börne“ aus dem Tatort) jedoch nicht. Ein kurzer Gegen-Check bei Google ergab: Auch der Link von dort auf den „Bild“-Bericht ist gesperrt (das ist anders als etwa bei der New York Times, wo Links von Google und aus sozialen Netzwerken grundsätzlich immer offen sind). Allerdings: Eine einfache Google Suche nach den Begriffen „Liefers Aleppo“ ergabe zahlreiche weitere Berichtet zum Thema, etwa vom Kölner Stadtanzeiger, die natürlich frei zugänglich waren.

Damit komme ich nicht umhin, eine ähnliche Schlußfolgerung zu ziehen wie vergangene Woche schon Thomas Knüwer auf dem Blog „Indiskretion Ehrensache“: Das Ganze scheint mir zum jetzigen Zeitpunkt (noch) relativ unausgegoren. Es macht keinen Sinn, Inhalte zu sperren, die ich genauso oder ähnlich über eine einfache Google-Suche woanders finden kann. Und Inhalte, die ich nicht so leicht woanders finden kann, sehe ich bis dato auf Bild.de allenfalls aus dem Ressort „Das Reich der Seltsamkeiten“: Für die Geschichte zum Thema „Was Sie tun müssen, um 100 Jahre alt zu werden“ würde ich nicht mal 99 Cent zahlen – darüber schlapp lachen kann ich mich auch so.

Die Tragik an der Geschichte mit der „Bild+“ genannten Bezahlschranke: Es wird ein an sich aus Sicht der Verlage absolut wichtiges Unterfangen, nämlich die Refinanzierung der Inhalte über direkte (also nicht Werbe-) Erlöse zu verbessern, deutlich zurückgeworfen. Wenn die Verantwortlichen nicht schnell nachbessern, werden sich andere Verlage an das Thema mit Sicherheit noch weniger herantrauen als bis dato.

(Disclaimer: Ich bin bei einem deutschen Regionalzeitungsverlag angestellt. Die hier geäußerte Meinung ist jedoch meine private und nicht die meines Arbeitgebers)

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DAB-Radio: Eine Nachlese.

Vergangene Woche hatte ich ja hier auf dem Blog meinen ersten kleinen Shitstorm – und ganz nebenbei auch den Tag mit den zweitmeisten Zugriffen überhaupt. Ich hatte mich in einem Beitrag (sicherlich etwas provokant) mit der Frage beschäftigt, ob man mit DAB+ eine neue Hörfunk-Struktur einführen sollte, wenn es mit Webradio bereits eine Technologie gibt, die meiner Meinung nach wesentlich zukunftssicherer ist, weil sie dem Medium einfach mehr Möglichkeiten bietet.

Ich hätte nie gedacht, dass in dem Thema so viel Emotion ist. Vielen Kommentaren war eine deutliche Leidenschaft fürs Radio anzumerken, deswegen habe ich auch jeden einzelnen Kommentar (auch die nicht ganz so sachlichen) beantwortet. In der Diskussion haben sich ein paar „Highlight-Argumente“ herausgestellt, die immer wieder genannt wurden. Ich möchte sie hier nochmal aufschreiben und dann nochmal in geordneter Form darauf eingehen, weil vielleicht nicht jeder Leser sämtliche Kommentare und meine Antworten darauf anschauen konnte.

  1. Web-Radio ist zu teuer (viele Leute haben heute noch keine hinreichend günstigen Datentarife für ihre Mobilgeräte).
  2. Über Mobilfunk verbreitetes Webradio funktioniert noch nicht in allen Gebieten zuverlässig.
  3. DAB+ ist „gut genug“, weil besser als UKW und mit mehr empfangbaren Sendern ausgestattet.

In meinen Antworten auf die Kommentare habe ich es mehrfach schon gesagt: Die Argumente 1 und 2 sind mit heutigem Stand vollkommen korrekt. Man kann zwar auch da trefflich darüber streiten, ob nun x Euro für eine LTE-Flatrate „zu teuer“ oder „billig genug“ sind. Und noch viel trefflicher kann man darüber streiten, ob die 64 oder maximal 128 kbit/S. Bandbreite, die man für Webradio braucht, angesichts von aufs Handy gestreamten Youtube-Videos nun tatsächlich so dramatisch sind.

Aber vielleicht muß man ja gar nicht streiten. Meine Thesen haben sich (und das wurde vielleicht nicht hinreichend deutlich) mit der (nahen) Zukunft beschäftigt. Und da glaube ich einfach, dass die Themen „Bandbreite“ und „Abdeckung“ gelöst werden. Und die Preisentwicklung bei Mobilfunk in der Vergangenheit zeigt m. E. sehr deutlich, wohin die Reise mutmaßlich geht. Aber natürlich kann ich mich da irren.

Damit kommen wir zum dritten Argument. Und da lohnt sich aus meiner Sicht tatsächlich ein weiteres Nachdenken. Denn DAB ist inhaltlich (!!!) nichts weiter als alter Wein in neuen Schläuchen. Dadurch, dass das Programm der Sender nun digital statt analog verbreitet wird, ändert sich überhaupt nichts – außer, dass sich die Hörer neue Geräte kaufen müssen.

Aber wenn ich Radiomann wäre, dann wäre ich begeistert von den völlig neuen Möglichkeiten, die mir das Internet als völlig anders gearteter, weil mit einem Rückkanal ausgestatteter „Sendeweg“ böte – und ich hätte Lust, sie auszuprobieren.

Klar: Das tun heutige Webradiosender zum allergrößten Teil auch nicht. Auch hier findet meist einfach nur „Radio“ statt.

Aber was könnte man alles machen!

  • Dadurch, dass man in vielen Fällen den Standort des Hörers kennt, könnte man lokale Werbung einblenden. Ich würde also, während ich in Nürnberg den Londoner Sender „Jazz FM“ höre, keine Londoner Werbung eingeblendet bekommen (die mich nicht interessiert), sondern Angebote aus meiner eigenen Gegend. Auf Webseiten ist derlei schon lange üblich – man gehe einfach mal zu Amazon, schaue sich dort irgendwelche Produkte an und surfe hernach zu Spiegel online – und siehe da: Dort werden als Werbung genau jene Produkte eingeblendet, die man gerade erst auf Amazon angeschaut hat.
  • Man könnte technisch sehr einfach eine Möglichkeit anbieten, den gerade laufenden Song bei iTunes oder Amazon zu kaufen.
  • Man könnte die Sendungen nicht nur live, sondern auch zum „Nachhören“ anbieten
  • Man könnte Interaktion mit dem Zuhörer anbieten, zum Beispiel könnte man aus drei Songs voten lassen, welcher davon als nächstes gespielt werden soll, oder die Hörer könnten bei jedem laufenden Song ein „gefällt mir“ oder „gefällt mir nicht“ signalisieren, was die Programm-Macher dann wiederzum zur weiteren Optimierung einsetzen könnten
  • Und, und. und.

Bei meinem Text in der vergangenen Woche ging es mir eigentlich darum, folgendes zu sagen: Wollen wir angesichts dieser vielen spannenden Möglichkeiten wirklich noch in eine Brückentechnologie investieren, die eigentlich heute schon obsolet ist und die es in fünf Jahren allerspätestens sein wird? Ich glaube immer noch: Eher nicht.

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Wie Amazons „Send to Kindle“ Button das Internet verändert

screenshot-sendtokindle-wapoMan kennt das ja: Auf allen größeren Websites – und mittlerweile auch auf jedem Hobbyblog, der auf sich hält – finden sich diverse „Social Sharing“-Buttons. Ich kann also direkt bei einem Artikel, Bild oder Video einen „Like“ auf Facebook vergeben oder den Link auf die Seite direkt Twittern.

Jetzt hat sich Amazon einen neuen Button einfallen lassen – der es allerdings in sich hat: Der Button besteht aus einem kleinen orangen „k“. Und wer draufklickt, bekommt erst einmal das Login-Fenster von Amazon zu sehen. Im nächsten Schritt kann man dann den jeweiligen Inhalt direkt auf seinen Amazon Kindle schicken (wer mehrere Geräte hat, kann sogar auswählen, auf welches davon). Außerdem kann man auswählen, ob der Content via WLAN (geht bei allen Kindles) oder Amazons „Whispernet“ (also übers Handynetz) versendet werden soll. Whispernet klappt natürlich nur bei solchen Kindles, die das entsprechende Modul eingebaut haben, also z. B. generell nicht bei den Fires.

Zum Start hat Amazon nach eigenen Angaben die Washington Post, das Time Magazine und den BoingBoing-Blog dabei. Bei BoingBoing habe ich den Button (noch) nicht gesehen, aber bei der Washington Post kann man ihn schon ausprobieren. Ich finde: Das Ganze funktioniert super.

Aber warum muß man ein solches Aufhebens um ein kleines Knöpflein machen?

Weil sich dadurch das Internet-Ökosystem ändert – zumindest ein wenig. Bisher führte der Kindle (also die E-Reader mit Schwarzweißdisplay; bei den Fires sieht die Sache anders aus) eher ein Nischendasein, denn sein Browser taugt eigentlich nichts, und durch die Display-Technologie kann man damit wenig anfangen außer Bücher lesen. Auch der Datenaustausch mit Content, der nicht direkt von Amazon kommt, war bisher zwar möglich, aber eher hakelig und kompliziert.

Deshalb ist der Button eine riesige Aufwertung des Kindle, dessen Tod bereits von vielen Fachleuten als unmittelbar bevorstehend gesehen wurde.

Aber es geht noch weiter. Der Button hat zumindest das Potenzial, auch unser Surf-Verhalten zu ändern. Jetzt gehen die meisten von uns (jedenfalls ich) so vor: Man surft eine Website an, scrollt einmal über die Homepage, findet zwei, drei interessante Artikel – und die liest man dann. Danach gehts weiter zur nächsten Website, oder man folgt einem Link in einem Artikel, und liest wieder. Das Ganze fühlt sich für mich ziemlich hektisch und zeitraubend an, und es zerreißt meinen Tag sehr stark. Viel schöner fände ich es eigentlich, zum Beispiel Abends in aller Ruhe auf dem Sofa die Sachen zu lesen, die mir den Tag über so untergekommen sind. Ich werde jetzt mal ausprobieren, ob das mit dem „Send-to-Kindle“-Button leichter wird. Dazu müssen ihn aber erst noch mehr Seiten tatsächlich anbieten.

Für die Verlage steckt übrigens eine Chance in dem Thema, die die Washington Post bereits nutzt: Sie können auf den beiden Screens, die man durchklicken muß, bevor der Content tatsächlich auf den Kindle geschickt wird, ihr Kindle-Abo anbieten und haben dafür die ideale Plattform.

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Tesla – New York Times: 1:1

Tesla Grand Opening in Menlo Park - Tesla Chai...

Eine Geschichte wie diese wäre noch vor 10 Jahren praktisch unmöglich gewesen: Da schreibt ein Journalist der hoch angesehenen New York Times einen Bericht über das Elektro-Auto Tesla „Model S“. Sein Fazit: Bei kälteren Temperaturen leere sich der Akku des Gefährts praktisch über Nacht, das Laden dauere stundenlang und außerdem komme man mit dem Auto nicht so weit, wie es die Bordelektronik anzeigt. Das Ganze gipfelt in einem Bild des Tesla auf dem Abschleppwagen, weil unterwegs der Akku schlappgemacht habe.

So weit, so schlecht. Normalerweise hätte die Geschichte hier geendet. Tesla (und deren berühmt-berüchtigter Chef Elon Musk, im Bild oben) hätten jetzt bei der „Times“ anrufen können, etwaige Anzeigenaufträge stornieren und vielleicht einen Leserbrief schreiben können. Interessiert hätte das aber wohl kaum jemanden.

Doch wir leben im Jahre 2013, und da sind Firmen längst nicht mehr so wehrlos gegen mißliebige Medienberichte wie früher. Also griff Musk höchstselbst in die Tasten und schilderte fürs firmeneigene Blog unter dem Titel „A most peculiar test drive“ („eine höchst seltsame Testfahrt“) seine (Teslas) Sicht der Dinge: Man habe sämtliche Fahrzeugdaten während der gesamten Testfahrt des Reporters mitgeloggt, verrät er den erstaunten Lesern.

So könne man etwa nachweisen, dass der Reporter viel schneller (und damit verbrauchsintensiver) gefahren sei, als er es in seinem Artikel geschrieben hatte. Außerdem habe er den Akku zu kurz geladen und sei wieder losgefahren, obwohl die Reichweiten-Anzeige ganz klar gezeigt hätte, dass für die geplante Strecke zu wenig Strom im Akku war. Das Ganze gipfelt in der Behauptung (und der Abbildung einer Grafik zum „Beweis“), der Reporter sei sogar eine halbe Stunde lang auf einem Parkplatz im Kreis gefahren, um mutwillig den Akku zu leeren. Das sind wahrhaft deftige Vorwürfe, die jeden ehrbaren Journalisten auf der Welt schwer ins Grübeln bringen müssen und die eine fristlose Kündigung wert wären, wenn sie denn stimmten.

Aber die Geschichte geht noch weiter: Jetzt hat sich auch der Times-Journalist zu Wort gemeldet – ebenfalls in einem Blogeintrag. Und, o Wunder, natürlich hat er für alle Musk-Vorwürfe absolut einleuchtende Erklärungen.

Wir lernen hier zweierlei:

  1. Es herrscht Waffengleichheit zwischen den „ehemaligen Massenmedien“ und den Firmen, über die sie berichten (bei Privatleuten ist das noch nicht so, jedenfalls nicht in Deutschland). Die ehemaligen Massenmedien müssen sich darauf einstellen, dass ihre Berichte nicht länger unwidersprochen bleiben und sie nicht länger zwangsläufig am längeren Hebel sitzen. Im Besten Falle heißt das nichts anderes als: Sie müssen noch mehr darauf achten, ihren Job ordentlich zu machen.

  2. Die Waffengleichheit führt dazu, dass ausgebildete Journalisten, die (zumindest sollte das so sein) ihren Job gelernt haben und einen gewissen Ehrenkodex befolgen, auf absoluter Augenhöhe sprechen mit Leuten, auf die beides nicht zwingend zutrifft. Unabhängig davon, wer im vorliegenden Falle recht hat: Diese Konstellation führt im Zweifel dazu, dass das geneigte Publikum noch weniger Chancen hat als vorher, zwischen wahr und falsch zu unterscheiden. Und das ist gefährlich.

 

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