Münchner Stadtrat live im Internet: Die schwierige Online-Demokratie

Münchner Stadtrat live im InternetSeit dem heutigen Mittwoch sendet der Münchner Stadtrat seine Sitzungen live im Internet – allerdings zunächst nur versuchsweise für neun Monate.

Interessant ist die Diskussion und auch die Verkrampftheit, die das Thema innerhalb des Stadtrates begleitet. So dürfen etwa von der Kamera im 3. Stock des Sitzungssaals immer nur die jeweiligen Redner sowie die Referentenbank (Für Stadtrats-Laien: Das sind die „Minister“ in einem Stadtparlament) gezeigt werden.

Das macht die ganze Angelegenheit natürlich hundslangweilig. Die Pressestelle der Stadt schiebt hier Datenschutz-Gründe vor, offenbar hatte jeder einzelne Stadtrat vorab eine Erklärung zu unterzeichnen, die es erlaubt, ihn oder sie zu filmen. Und einige haben das halt nicht unterschrieben.

Und das verstehe ich beim besten Willen nicht. Erstens: Das sind gewählte Volksvertreter. Sie haben vor dem Wähler die Pflicht, Ihr Handeln transparent zu machen. Schon klar: Die lieben Volksvertreter haben möglicherweise Angst, dass ihre Fremdbeschäftigungen während der Sitzungen nun quasi „öffentlich“ werden. Nur: Erstens gibt es Live-Übertragungen in Parlamenten mit Berufs-Politikern eh schon lange, und auch dort geht allenfalls ganz kurz ein Raunen durchs Publikum, wenn der Finanzminister während der Sitzung auf dem iPad Mahjongg spielt. Und zweitens: Die Verwandten-Affäre hat ja gerade erst gezeigt, dass die moralischen Ansprüche an das Verhalten von Volksvertretern offenbar gestiegen sind. Also sollten die lieben Städträte ihre Zeitung vielleicht künftig doch lieber daheim lesen.

Denn insgesamt sind solche Live-Übertragungen eine riesen Chance für unsere Demokratie, die damit transparent, unmittelbar, erlebbar wird. Gerade in Zeiten, da das Wort „Politikverdrossenheit“ gefühlt in jedem zweiten Leitartikel vorkommt und junge Leute scheinbar nur noch online unterwegs sind, ist das der richtige Weg.

Gleichzeitig ist die Übertragung aber auch eine riesen Chance für Journalisten, und das aus mehreren Gründen.

  1. Vieles an so einer Stadtratssitzung ist erklärungsbedürftig. Zum Beispiel: Was ist eine „Tischvorlage“, warum wird wann wie abgestimmt, wer redet wann und warum, usw. usf. Hier können Journalisten sinnvoll eingreifen – sie müssten dafür allerdings die richtigen Online-Tools beherrschen, und der Stadtrat müsste das Einbinden des Videostreams auf „fremden“ Seiten gestatten.
  2. Es ist zwar aus den oben beschriebenen Gründen toll, dass es die gesamte Sitzung live im Internet anzuschauen gibt – aber wer will das schon wirklich, wer hat so viel Zeit. Auch hier könnten Journalisten ins Spiel kommen, könnten die Highlights aus dem Material herauspicken, themenbezogene Specials anbieten, vielleicht auch thematisch zusammenhängendes Material aus mehreren Sitzungen miteinander verknüpfen, Hintergründe erklären, zusätzliche Stimmen einfangen.

So könnten am Ende völlig neue Erzählformen entstehen. Allerdings müßten die Journalisten auch dafür das digitale Handwerkszeug beherrschen. Ich befürchte: Wenn es die etablierten Medien und Journalisten nicht hinkriegen, werden es – wie schon jetzt bei der Flutkatastrophe – einfach andere Leute machen. Das wäre schade.

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„Spiegel online“ mit neuem „Echtzeit-Ticker“

20130528-095157.jpgDie neueste Errungenschaft von „Spiegel online“ kann man ganz verschieden interpretieren. Fakt ist jedenfalls: Seit kurzem gibt es als neue Darreichungsform einen „Echtzeit-Ticker“, in dem laut Spiegel online „im Minutentakt Nachrichten, Tweets und Fundstücke aus dem Internet“ veröffentlich werden.

Interpretation 1: Das ist nichts anderes als das, was Journalisten seit Jahrzehnten als stetigen Nachrichtenstrom der Agenturen kennen. Seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts sitzen Redakteure bei Zeitungen und im Rundfunk vor Computern, auf denen ständig die neuesten Meldungen einlaufen. Doch damit beginnt der Job des Redakteurs erst: Er muß auswählen, gewichten, filtern. Mutet hier also der Spiegel seinen geneigten Lesern einen ungefilterten Nachrichtenstrom zu, um Arbeitskräfte zu sparen?

Das wohl nicht, denn im Header der Seite sind nicht weniger als 4 Mitarbeiter genannt, die für den „Echtzeit-Ticker“ schreiben. Das Ergebnis ist dennoch relativ wirr: Von einem abgestürzten Militär-Jet im Pazifik über einen sehr alten Japaner und einen Fehlalarm am Dresdner Hauptbahnhof (journalistisch gesehen eigentlich eine so genannte „Nicht-Meldung“…) liefert der Echtzeit-Ticker ein wüstes Sammelsurium, mit dem man erstmal nicht so richtig etwas anzufangen weiß.

Interpretation 2: Das sieht doch genauso aus wie die Chronik bei Facebook oder die Timeline bei Twitter. Auch dort findet sich ja typischerweise Relevantes neben wirrem Zeug. Versucht hier also jemand, die Anmutung sozialer Netzwerke nachzuahmen? Oder gar, das ganze System von den Füßen auf den Kopf zu stellen? Denn normalerweise ist es ja so, dass Nachrichten-Schnipsel der etablierten Plattformen irgendwann – meist sehr rasch – ihren Weg in die Netzwerke finden. Das Ganze nun umzukehren, indem man „Funstücke“ aus den Social Networks wiederum auf einer klassischen Massenmedien-Plattform veröffentlicht, macht nicht unbedingt Sinn.

Interpretation 3: Ist der Echtzeit-Ticker vielleicht eines der spannendsten journalistischen Experimente der letzten Zeit? Schließlich könnte man wohlmeinend vermuten, hier solle der Versuch unternommen werden, zum  Einen die Welt in ihrer Komplexität und Schnellebigkeit 1:1 abzubilden, und gleichzeitig dem „Echtzeit-Medium“ Internet endlich mal so richtig gerecht zu werden. Ja, da könnte schon was dran sein. Vielleicht darf man über den konkreten Inhalt des Tickers nicht zu hart urteilen, das Ganze (inklusive seiner Mitarbeiter) ist ja schließlich noch neu und muß sich erst finden. Spannend wäre es aus meiner Sicht jedenfalls durchaus, einen schnellen, wenig bis nicht gefilterten Ticker (der allerdings journalistisch schon noch ein wenig durchdachter sein dürfte und der mehr „Netz-Fundstücke“ bringen müßte) sinnvoll zu kombinieren mit dem Rest einer Nachrichten-Site, die dann die Aufgabe hätte, das wirklich Wichtige über die Zeit zu bewahren, die Geschichten stringent weiterzuentwickeln, sie einzuordnen und zu interpretieren.

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BBC iPlayer jetzt auch in Deutschland

20130528-095029.jpgEs ist eine gute Nachricht für alle, die gerne Fernsehen: Jetzt ist der so genannte BBC iPlayer auch in Deutschland verfügbar. Diese App ermöglicht es, am Tablett oder Smartphone Teile des BBC Programms anzuschauen. Es gibt ein paar kostenlose Pröbchen, der Hauptteil muss aber kostenpflichtig für 7,99 € im Monat abonniert werden.

Im Fundus sind Klassiker wie die Comedy-Serien von Monty Python, „Blackadder“ mit Rowan Atkinson oder auch die erste Staffel der Kochsendung von Jamie Oliver. Daneben gibt es gerade im Bereich Krimi und Drama vieles zu entdecken, darunter ein sehr gut gemachter Fernsehfilm über den Beginn des Irakkrieges mit so bekannten Schauspielern Kenneth Brannagh. Die üblichen Verdächtigen wie beispielsweise „Inspektor Lynley“ sind natürlich auch dabei. Mein inhaltliches Fazit: Hier gibt es richtig viel richtig gutes Fernsehen, von dem sich die deutschen öffentlich-rechtlichen Sender mehr als nur eine Scheibe abschneiden könnten. Natürlich versteht sich von selbst: Alles hier ist nur auf Englisch verfügbar.

Die Bild- und Tonqualität ist dabei durchweg sehr gut, neueres Material liegt grundsätzlich in HD vor. Wer möchte, kann sich einzelne Sendungen auch auf sein Gerät herunterladen und dann offline anschauen. Während meines Tests gab es jedoch praktisch keine Updates. Ob das Ganze also den Abopreis auf Dauer lohnt, muss sich erst noch zeigen. Das gute ist: man kann das Abo jeden Monat kündigen.

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Google gegen Amazon: Der Kampf wird härter

Eines der größten Probleme von Google heißt: Amazon. Klar, denn schließlich ist der weiltweit größte Online-Händler bei Licht betrachtet nichts anderes als eine riesige Produkt-Suchmaschine mit angeschlossener Ladenzeile. Oder anders gesagt: Wer im Internet nach Produkten sucht, der sucht immer häufiger bei Amazon.

Das kann natürlich demjenigen Unternehmen nicht passen, dessen Kerngeschäft nun mal die Suche ist: Google nämlich. Deshalb unternimmt man nun immer mehr Anstrengungen, dem Rivalen auf möglichst vielen Feldern das Wasser abzugraben. Wie ein Artikel im Wall Street Journal jetzt sehr schön zusammenfast, laufen da etliche Handlungsstränge parallel.

Das begann vor einiger Zeit schon mit Dingen wie den Cloud-Computing-Services, die Amazon mehr oder weniger erfunden hat und die nun auch Google anbietet. Ein zentraler Teil der Bemühungen ist „Google Shopping“, das derzeit noch lange nicht die Reichweite von Amazon hat. Um das zu ändern, bietet Google nun in den USA nach dem Vorbild von Amazon Prime eine besonders schnelle Lieferung der auf Shopping bestellten Produkte an. Aber wo es bei Amazon frühestenfalls eine Lieferung am übernächsten Tag gibt (in einigen wenigen Städten wird am Folgetag geliefert), da verspricht Google, dass die bestellte Ware noch am selben Tag ins Haus kommt.

Da läuft also eine immens teure Materialschlacht. Der Hintergrund ist natürlich, dass Produktsuchen einen nicht geringen Anteil am Suchaufkommen insgesamt haben – aber vor allem: Anzeigen auf Produktsuchseiten sind für Google ein besonders gutes, mithin besonders schützenswertes Geschäft.

Ich finde sehr spannend, was da gerade passiert. Das Ganze ist für mich ein weiterer Aspekt des Kampfes der drei großen Internet-Giganten Google, Amazon und Apple. Mal schauen, wer gewinnt.

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re:publica 2013: Laßt die Analytics sprechen

Die re:publica 2013 war bisher mein absolutes Highlight des Social-Media-Jahres 2013. Die Freunde von Buzzrank.de haben jetzt mal analysiert, wie sich die Veranstaltung in den Social Media ausgewirkt hat. Das Ergebnis haut einen schier um: Mehr als 10.000 Twitter-User haben Tweets zur Veranstaltung gesendet (offiziell waren „nur“ gut 5.000 Leute anwesend!), mehr als 60.000 Tweets wurden pro Jahr gesendet, und über 1000 Millionen mal sind die Tweets in den Timelines anderer Nutzer aufgetaucht. Die re:publica ist damit mindestens auf Twitter ein veritables Großereignis. Die genauen Zahlen von Buzzrank gibt´s hier als hochauflösende Grafik.

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