Lesebefehl: „The Deal from Hell“ von James O`Shea über US-Zeitungen

Wenn das nicht mal ein treffender Buchtitel ist: „The Deal from Hell“ – so hieß in US-Finanzkreisen die Übernahme der „Chicago Tribune“ und der „Los Angeles Times“ durch Finanzinvestoren in den Jahren 2007/2009. Am Ende landete dieser Deal vor dem Konkursrichter.

Alle (teils sehr unschönen) Details dieses Deals erzählt James O´Shea (Bild) in seinem gleichnamigen Buch. Aber das ist nicht alles. Fast nebenbei gibt es dazu noch zwei andere Geschichten.

Die eine ist die (berufliche) Lebensgeschichte des Ausnahme-Journalisten O´Shea, der seine Karriere 1971 beim „Des Moines Register“ begann. Sein erster Einsatz damals war ein tödlicher Autounfall, O`Shea hatte die Aufgabe, bei den Familien der Verunglückten Interviews zu führen und Fotos zu beschaffen. Weitere Stationen waren eine Zeit als Korrespondent im Washington der 70er, also der großen Zeit der Zeitungsreporter, und eine Phase als Reporter.

O´Sheas Geschichte ist eine ganz typische für einen Journalisten seines Alters – sie hängt aber auch ganz eng zusammen mit der Geschichte des Journalismus, genauer: des Zeitungs-Journalismus. O´Shea erzählt ebenso anschaulich wie spannend, welche Möglichkeiten (heute würde man sagen: welche „Ressourcen“) Zeitungsjournalisten (und Zeitungsredaktionen) in den 70er Jahren hatten, wie sie mit ungeheurer Manpower monatelang auf der ganzen Welt recherchieren konnten (und nebenbei: Zur Arbeit flog man selbstverständlich First Class), nur um danach eine einzige Enthüllungsstory zu veröffentlichen. Das ist aus heutiger Warte absolut unglaublich, aber sprießende Werbeeinnahmen in Verbindung mit der damaligen Monopolstellung der Zeitungen im Nachrichten-Markt machten das problemlos möglich.

Doch die Zeiten blieben nicht so gut. Zuerst kam das Kabelfernsehen als zusätzlicher Konkurrent, dann das Internet. Parallel versuchten manche Eigentümer von Zeitungsverlagen, ihre Anteile entweder gleich komplett zu versilbern oder wenigstens möglichst viel Geld aus ihren Unternehmen zu saugen. Damit das möglich war, wurde immer mehr in den Redaktionen gespart – teils unter dem Vorwand, die Leser wollten ohnehin keine „harten News“, sondern würden leichtere (und billiger herzustellende) Geschichten sowieso viel lieber lesen.

Bei all dem zeigte sich O´Shea, mittlerweile „Editor“ (also Chefredakteur) der L.A.Times, stets als Vorkämpfer des Journalismus als Rückgrat einer Zeitung – eine Haltung, die ihn letztlich den Job kostete.

Was danach passierte, ist fast ebenso interessant wie die Vorgeschichte: James O´Shea ist heute Chefredakteur der „Chicago News Cooperative“, also einer gemeinnützigen Einrichtung, die News aus Chicago kostenlos im Web publiziert und mittlerweile auch Content für die Chicago-Seiten der New York Times zuliefert. Es mag sein, dass ein solches spendenfinanziertes Modell vielleicht nur kurze Zeit funktioniert (und vielleicht auch nur in den USA oder einer Großstadt wie Chicago). Aber ein Hoffnungsschimmer für guten Journalismus ist es allemal.
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[vimeo http://www.vimeo.com/22585451 w=400&h=225]

Inside the Chicago News Cooperative from Chicago News Cooperative on Vimeo.

[vimeo http://www.vimeo.com/27174964 w=400&h=300]

Jim O’Shea says goodbye to the Chicago Tribune newsroom from Chicago News Cooperative on Vimeo.

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