„Nextdoor“: Social Nachbarschaft

screenshot_nextdoorDie Welt der Social Media wird immer lustiger: Mit „Nextdoor“ gibt es jetzt eine Plattform, die noch viel tiefer in unseren Alltag eindringen möchte als Facebook oder Twitter. Denn jetzt sollen wir uns auch noch mit unseren Nachbarn elektronisch vernetzen.

Mal abgesehen davon, dass einer der Kernsätze der Netzwerktheorie sehr dagegen spricht, dass das funktioneren kann. Denn: Meine Nachbarn kenne ich ja bereits, zumindest ich persönlich sehe sie auch fast jeden Tag (das mag in amerikanischen Suburbs allerdings anders sein) und weiß eh meistens nicht, was ich während der gemeinsamen Aufzugsfahrt eigentlich reden soll.

Die Netzwerktheorie spricht hier von so genannten „strong links“ – also starke soziale Verbindungen. Der Begriff steht zum einen für Leute, mit denen ich sehr intensiv zu tun habe, wie etwa Familie und Partner. Er benennt aber auch Leute, die ich bereits IRL so häufig treffe, dass ich jeglichen notwendigen Informationsaustausch nebenbei locker erledigen kann.

Aber wie gesagt: Davon mal ganz abgesehen. Nach einem Insiderbericht von Jeff Jarvis macht die Site noch mehr Fehler. So bekommen User etwa zu hören, sie hätten „zu wenige Nachbarn“ – klar: Ein soziales Netzwerk braucht immer eine gewisse „kritische Masse“ , um zu funktionieren. Mit anderen Worten: Eine Grillparty mit drei Leuten ist keine Grillparty, denn bei drei Leuten kommt keine Stimmung auf. Damit ist der Hunger der Plattform nach „mehr Nachbarn“ verständlich – er nützt nur dem User nichts, der nun zwanghaft wildfremde Leute zu „Nachbarn“ erklären muß, nur, um mitspielen zu dürfen.

So ist also zu vermuten, dass „nextdoor.com“ sehr bald den Weg alles irdischen gehen wird – und das ist schade.

Das Thema „Nachbarschaft ist nämlich durchaus ein sehr interessantes, jedenfalls aus journalistischer Sicht: Fachleute nennen es hochtrabend „Das Sublokale“ und meinen damit jenes unmittelbare räumliche Umfeld, in dem wir uns täglich bewegen, das also für uns besonders relevant ist. Und das klassische Tageszeitungen meist nicht abdecken (können), weil das, was hier so los ist, oft schon drei Straßen weiter nicht mehr interessant genug ist.

Weil sublokales also „in Print“ nicht funktioniert, geistert das Thema schon seit Jahren auf allen einschlägigen Visionärs-Konferenzen als neues großes Ding herum. Und tatsächlich: Wenn man sich einmal genauer anschaut, was auf Facebook so gepostet wird (und Instagram ist vielleicht sogar ein besseres Beispiel), dann findet man neben den allgegenwärtigen Katzenfotos tatsächlich viel Inhalt aus der Nachbarschaft. Die spannende Frage ist nur, wie man diesen Inhalt vielleicht besser bündeln und nutzbar machen kann. Vielleicht wäre das in der Tat eine spannende Aufgabe für Zeitungsverlage. Solange die sich jedoch immer automatisch als „Produzenten“ von Inhalt sehen und das aggregieren, sammeln und nutzbar machen als irgendwie unter der Würde ansehen, wird das wohl nichts werden – mit nextdoor.com jedenfalls auch nicht.

(DISCLAIMER: Ich bin hauptberuflich bei einem Zeitungsverlag angestellt. Die hier geäußerte Meinung ist jedoch meine private und nicht die meines Arbeitgebers.)

Ein Kommentar zu “„Nextdoor“: Social Nachbarschaft

  1. Hallo Herr Gerlach,
    bin sicher, dass es eine Weiterentwicklung von Facebook geben wird. Teile Ihre Auffassung, dass der lokale Bereich super interessant ist. Ob Zeitungsverlage das besetzen können? Eher nein. Ich glaube auch nicht, dass Konferenzen da helfen 😉 Muss man machen und es international aufstellen. Der Markt in D ist zu klein für so eine Sache. Also ist für mich nextdoor.com ein interessanter Ansatz – ein Zeichen für – die Welt im Internet dreht sich weiter.
    Gute Zeit, HH

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