Evidero: Das News-Portal von Neven DuMont ist online

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=b9b49Zk-icc]Spannend, spannend: Der Kölner Verlegersohn Konstantin Neven DuMont, der vor rund einem Jahr unter nicht sehr charmanten Umständen aus dem väterlichen Unternehmen geflogen war, hat jetzt was eigenes.

Das Portal nennt sich etwas verschwurbelt „Evidero“ und, so suggeriert jedenfalls der Videotrailer, soll uns alle mal so richtig aufrütteln: Die Themen sind Nachhaltigkeit, Veränderung, Energiewende, solche Sachen. Dahinter steckt offenbar großes Engagement und der Wille, die Welt zum besseren zu verändern. Ein hoher, ein edler Anspruch. Respekt!

Ein kurzer Check auf dem Portal selbst zeigt dann, worum es konkret geht: Ein Artikel steht unter der Überschrift „Iss nachhaltig und rette die Welt!“. Es ist ein Rundumschlag. Ein Rundumschlag gegen den Verzehr von Thunfisch, gegen zu viel Fleisch, gegen Spekulationen mit Lebensmitteln. Nichts davon ist wirklich neu, aber es ist ganz gut geschrieben, der Text hat einen langen Atem. Die Aufmachung ist gar nicht schlecht, es gibt zahlreiche Grafiken und Links im Artikel. Also: Ein Text für Leute, die Zeit haben, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Aber noch kein richtiger Hinweis, worum es nun bei „Evidero“ eigentlich gehen soll.

Zweiter Versuch. Der Aufmacher heißt „Geld ist nicht alles“, der erste Satz lautet „Geld ist eine Illusion“. Im Text wird noch einmal die Banken- und Finanzkrise auf sehr grundsätzlicher Ebene diskutiert, zum Beispiel anhand der Tatsache, dass der Wert aller gehandelten Börsenpapiere die gesamte (reale) Wirtschaftsleistung der Welt um Größenordnungen übersteigt. Ich muß sagen: So grundsätzlich liest man das in der Tagespresse nicht; hier ist tatsächlich eine Informationslücke, die Evidero besetzen könnte. Schade finde ich dagegen, dass das im Video-Trailer angeteaserte Experiment im Chiemgau, wo einige Händler ihr eigenes Geld „erfunden“ haben, in dem Artikel nicht zur Sprache kommt. Das Thema findet man nur relativ umständlich über den Menüpunkt „Video“. Gut, aber das sind vielleicht Kinderkrankheiten.

Also: Dritter Versuch. In seinem „Editorial“ schreibt Evidero-Gründer Konstantin Neven DuMont:

„Wir wollen Themen setzen, Katalysator und Forum sein.“

und weiter:

„Über einige unserer Themen oder Ansätze lässt sich trefflich streiten. Gerade darauf freuen wir uns. Missstände nur aufzuzeigen ist ein zu einfacher Weg; den erhobenen Zeigefinger mögen wir genauso wenig wie Sie. Orientierung geben zu wollen ist ein hoher Anspruch, der die offene Diskussion braucht.“

In der Tat: „Orientierung geben“ ist wirklich ein sehr hoher Anspruch. Einer, den ich vor 20 Jahren in meiner Ausbildung zum Journalisten noch als Aufgabe der Tageszeitung gelernt habe. Ob diese heute auf diesem Gebiet noch sehr aktiv ist, muß jeder Leser selbst beurteilen – Fakt ist allerdings: In Zeiten der Informationsüberflutung wird es immer schwieriger, den Überblick zu behalten. Und in Zeiten der Social Media ist ja auch das Nachrichtengeschäft so lange schneller geworden, bis es vor einigen Jahren die Echtzeit erreicht hat. Schneller geht es seitdem nicht mehr.

Also ist der Ansatz, langsamer zu werden (und das tut Evidero letztlich), vielleicht genau der richtige. Ich sehe im Zustand des Portals heute durchaus gute Ansätze, auch wenn man anhand von nur zwei Themen noch nicht wirklich beurteilen kann, wie gut diese Ansätze verwirklicht werden. Ich würde mir irgendwie schon wünschen, dass es klappt mit Evidero – und drücke die Daumen.

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Der tote Gaddafi: Krieg der Bilder, wieder mal

Den Anfang machte eigentlich Nicolae Ceaușescu. Bei der Hinrichtung des vormaligen Rumänischen Diktators war im Dezember 1989 eine Fernsehkamera dabei, die die Erschießung mit automatischen Waffen in allen Details filmte. Die Begründung war die gleiche wie die für die Fotos des toten und verbrannten Adolf Hitler im Garten der Reichskanzlei: Man wolle der Öffentlichkeit gegenüber dokumentieren, dass der Diktator wirklich tot sei.

Das ist jedes Mal eine zwiespältige Sache. Schon bei Hitler hielten sich ja bekanntlich jahrelang Gerüchte, der „Führer“ sei gar nicht tot, die verkohlte Leiche auf dem berühmten Foto sei eine andere. Dennoch wurde immer wieder das Ende von Despoten live gefilmt, zuletzt die Hinrichtung durch Erhängen Saddam Husseins.

Aber hier hatte sich schon ein Wandel vollzogen, der zunächst technischer Natur war: Saddams tot wurde nicht mehr quasi „offiziell“ gefilmt, sondern heimlich, mit einer Handy-Kamera und ohne Wissen oder Zustimmung der Behörden. Das Video tauchte wenig später im Internet auf, über die Authentizität wurde gestritten.

Nun bringt heute der britische „Guardian“ ein Video auf seiner Website. Auch dieser Film kommt von einem Handy, er zeigt eine Szene, die im Zusammenhang steht mit dem derzeit noch rätselhaften Tod von Muammar al Gaddafi im libyschen Sirt. Die Frage ist: Starb Gaddafi durch eine Verletzung im Kampf, oder wurde er nach seiner Festnahme von den Rebellen hingerichtet?

Das Video zeigt – man kann es leicht sehen – im Grunde: nichts. Verwackelte Bilder, Geschrei, etwas, das wie Gewehrschüsse klingt. Und mittendrin zwei künstlich eingefrorene Standbilder, die offenbar beweisen sollen, dass es sich bei dem Körper, der hier durchs Bild geschleift wird, um Gaddafi handelt (es sieht tatsächlich so aus). Aber: Lebt er? Ist er tot? Was ist passiert? Ist er es wirklich?

Klar: Durch die immer weitere Verbreitung immer besserer Handy-Kameras, durch die damit verbundene Publikationsmöglichkeit auf Youtube oder sonstwo im Internet werden immer mehr Ereignisse in bewegten Bildern festgehalten.

Aber es wird auch immer schwerer, die Bilder zu deuten und zu verifizieren. Das, was der Guardian hier macht, verlagert die Deutungshoheit aufs Publikum. Und dies wiederum ist für ein Medium, dass doch immerhin den Anspruch professionellen Journalismus´ auf der Fahne stehen hat, ein bißchen zu wenig.

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QR-Codes: Zukunft für Zeitungen?

Lange hat´s gedauert: QR-Codes, jene 1994 für den Autobauer Toyota entwickelten Pixelmuster, treten derzeit einen kleinen Siegeszug durch deutsche Printmedien an: Der „Spiegel“ setzt sie ein, um seinen Lesern komfortabel digitale Mehrwerte anzubieten, auch der Stern. Ganz aktuell überlegen sogar Fernsehsender, ob der geneigte Zuschauer nicht vielleicht eher zu einem Spontankauf via Bildschirm zu überreden sei, wenn er dazu nur kurz sein Handy vor den Bildschirm halten muß.

Aber ach, das mit den QR-Codes („QR“ steht übrigens für „Quick Response“) ist so einfach nicht. Erstmal muß man ja prinzipiell wissen, was das bitteschön überhaupt sein soll. Dann braucht man ein Smartphone mit Kamera und die passende App. Und dann hat man, wie jüngst die „Zeit“ feststellte, auch noch ein Sicherheitsproblem: Keine der aktuellen QR-Code-Apps zeigt nämlich den Inhalt des Codes vorab an, sondern alle öffnen gleich die codierte Website. Wenn aber in der URL z. B. via Javascript ein Schadcode eingebettet ist, hat man den Datensalat.

Auf der anderen Seite aber steht ein potenziell hoher Nutzwert – und endlich mal ein echtes, komfortables „Crossmedia“-Erlebnis, ohne dass man mühselig irgendwelche in der Zeitung abgedruckten Links nachtippen muß.

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Lokaljournalismus wirkt

Eine Geschichte fast wie aus dem Märchen: Am Nürnberger Stadtpark gab es schon seit einiger Zeit immer wieder Streß: Auf einer Gruppe von Parkbänken am Rande der Anlage ließen sich regelmässig – sprich: täglich – einige Menschen nieder, die den Tag über offenbar nichts besseres zu tun hatten, als sich schön professionell und schön langsam (aber keineswegs leise) vollaufen zu lassen. Von dem Lärm, der teilweise bis in die Nacht dauerte, fühlten sich die Anwohner teils massiv gestört. Trotz zahlreicher Beschwerden ist aber lange nichts passiert. Bis der Nürnberger Stadtanzeiger, eine Publikation meines Arbeitgebers, des Verlags Nürnberger Presse, sich des Themas angenommen hat (im Bild sieht man, wie ein Anwohner die Geschichte nebst weiteren Materialien im Treppenhaus eines Anlieger-Hauses aufgehängt hat).

Seit einigen Tagen sind die Parkbänke abmontiert und die Trinker weg.

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Lesebefehl: „The Deal from Hell“ von James O`Shea über US-Zeitungen

Wenn das nicht mal ein treffender Buchtitel ist: „The Deal from Hell“ – so hieß in US-Finanzkreisen die Übernahme der „Chicago Tribune“ und der „Los Angeles Times“ durch Finanzinvestoren in den Jahren 2007/2009. Am Ende landete dieser Deal vor dem Konkursrichter.

Alle (teils sehr unschönen) Details dieses Deals erzählt James O´Shea (Bild) in seinem gleichnamigen Buch. Aber das ist nicht alles. Fast nebenbei gibt es dazu noch zwei andere Geschichten.

Die eine ist die (berufliche) Lebensgeschichte des Ausnahme-Journalisten O´Shea, der seine Karriere 1971 beim „Des Moines Register“ begann. Sein erster Einsatz damals war ein tödlicher Autounfall, O`Shea hatte die Aufgabe, bei den Familien der Verunglückten Interviews zu führen und Fotos zu beschaffen. Weitere Stationen waren eine Zeit als Korrespondent im Washington der 70er, also der großen Zeit der Zeitungsreporter, und eine Phase als Reporter.

O´Sheas Geschichte ist eine ganz typische für einen Journalisten seines Alters – sie hängt aber auch ganz eng zusammen mit der Geschichte des Journalismus, genauer: des Zeitungs-Journalismus. O´Shea erzählt ebenso anschaulich wie spannend, welche Möglichkeiten (heute würde man sagen: welche „Ressourcen“) Zeitungsjournalisten (und Zeitungsredaktionen) in den 70er Jahren hatten, wie sie mit ungeheurer Manpower monatelang auf der ganzen Welt recherchieren konnten (und nebenbei: Zur Arbeit flog man selbstverständlich First Class), nur um danach eine einzige Enthüllungsstory zu veröffentlichen. Das ist aus heutiger Warte absolut unglaublich, aber sprießende Werbeeinnahmen in Verbindung mit der damaligen Monopolstellung der Zeitungen im Nachrichten-Markt machten das problemlos möglich.

Doch die Zeiten blieben nicht so gut. Zuerst kam das Kabelfernsehen als zusätzlicher Konkurrent, dann das Internet. Parallel versuchten manche Eigentümer von Zeitungsverlagen, ihre Anteile entweder gleich komplett zu versilbern oder wenigstens möglichst viel Geld aus ihren Unternehmen zu saugen. Damit das möglich war, wurde immer mehr in den Redaktionen gespart – teils unter dem Vorwand, die Leser wollten ohnehin keine „harten News“, sondern würden leichtere (und billiger herzustellende) Geschichten sowieso viel lieber lesen.

Bei all dem zeigte sich O´Shea, mittlerweile „Editor“ (also Chefredakteur) der L.A.Times, stets als Vorkämpfer des Journalismus als Rückgrat einer Zeitung – eine Haltung, die ihn letztlich den Job kostete.

Was danach passierte, ist fast ebenso interessant wie die Vorgeschichte: James O´Shea ist heute Chefredakteur der „Chicago News Cooperative“, also einer gemeinnützigen Einrichtung, die News aus Chicago kostenlos im Web publiziert und mittlerweile auch Content für die Chicago-Seiten der New York Times zuliefert. Es mag sein, dass ein solches spendenfinanziertes Modell vielleicht nur kurze Zeit funktioniert (und vielleicht auch nur in den USA oder einer Großstadt wie Chicago). Aber ein Hoffnungsschimmer für guten Journalismus ist es allemal.
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[vimeo http://www.vimeo.com/22585451 w=400&h=225]

Inside the Chicago News Cooperative from Chicago News Cooperative on Vimeo.

[vimeo http://www.vimeo.com/27174964 w=400&h=300]

Jim O’Shea says goodbye to the Chicago Tribune newsroom from Chicago News Cooperative on Vimeo.

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Spiegel online mit „Seite 2“

Seit einiger Zeit gibt es eine Neuerung auf „Spiegel online“: Etwas unscheinbar taucht in der Marginalspalte der Homepage ein Ressort auf, das in der Navigation nicht direkt verlinkt ist: „Seite 2“.

„Seite 2“? Auf einer Website? Dochdoch. Wer hier klickt, bekommt ein schönes, aufgeräumtes, flächiges Layout präsentiert und in der Ressort-Dachzeile den Hinweis „Reportagen, Analysen, Interviews“.

Tatsächlich findet sich hier nach meinem ersten Eindruck nichts, das man auf der „normalen“ Spiegel-Online-Seite nicht auch bekommt. Nur stehen die früher in Zeitungsredaktionen so genannten „Lese-Geschichten“ dort halt eher versteckt auf der Seite.

Zunächst wirkt die Entscheidung für „Seite 2“ auf mich auch eher kontra-intuitiv: Lesegeschichten am Bildschirm – das macht man doch nicht! Das will doch keiner!

Andererseits: Wer viel Blogs liest, ist auch oftmals mit längeren Postings konfrontiert – auf Seiten, die eben nicht von jenem visuellen Overkill geprägt sind, den man auf vielen Nachrichten-Websites leider immer noch vorfindet. Es sollte mich nicht wundern, wenn hier auch tatsächlich die Blogosphäre Pate gestanden hätte. Obwohl also die „Seite 2“ inhaltlich eher alter Wein in neuen Schläuchen ist – ich bin gespannt, wie das Experiment weitergeht.

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Die neue Mangelware: Aufmerksamkeit

Chris Anderson ist immer gut. In der vorigen Ausgabe des Wirtschaftsmagazins „Brand Eins“ steht ein wieder mal hoch interessantes Interview mit ihm. Eigentlich geht es darin um sein schon nicht mehr ganz neues Buch „Free“.

Aber das kennt man ja eigentlich schon, die Thesen darin sind auch ganz ähnliche wie diejenigen von Jeff Jarvis in „Was würde Google tun?“ – und letztlich eine Forführung von „The Long Tail“: In der digitalen Wirtschaft sind die Grenzkosten derartig nahe an „nichts“, dass man die meisten Produkte eigentlich auch gleich ganz verschenken kann. OK, das war jetzt ein bißchen salopp ausgedrückt.

Interessanter scheint mir im Moment so eine Art Neben-Gedankengang, in dem sich Anderson mit der Gegenwart und vor allem der Zukunft von Journalismus beschäftigt.

Vor zwanzig Jahren, als ich in der Branche angefangen habe, war es ja noch so: Jounalisten hatten Herrschaftswissen. Diejenigen dpa-Meldungen, die man nicht in der Zeitung untergebracht hat, die gab es für das breite Publikum da draußen schlicht nicht. In den achtziger Jahren konnte man noch jeden Abend nach Umbruchschluß die Redaktion verlassen in dem schönen Gefühl: Ich weiß was, was ihr da draußen entweder erst morgen früh oder gar nicht erfahrt.

Vorbei.

Damals hieß die Mangelware „Information“. In meiner Kindheit in den 70er Jahren war es noch problemlos möglich, jede Zeile jedes Druckwerkes zu lesen, das bei uns im Haushalt vorkam. Und danach war einem noch langweilig. Und vieles, was man gerne noch vertieft gewußt hätte, vieles, was vielleicht ein Hobby betraf – das erfuhr man einfach nicht.

Vorbei.

Auf dem weiten Weg von Neil Postmans Unterhaltungsgesellschaft über Negropontes „Total Digital“ bis hin zu Anderson und Jarvis ist uns der Mangel an Information abhanden gekommen – und damit eigentlich auch der klassischen Presse mit ihren Massenmedien das Geschäftsmodell.

Journalisten müssen nicht mehr den Mangel an Platz, Zeilen, Sendeminuten verwalten. Ganz im Gegenteil.

Heute sind nicht nur die abstrusesten Informationen zu jedem noch so abseitigen Nischenthema über den Mechanismus von Google sofort zugänglich. Das geht so weit, dass Expertenwissen, eigentlich jede Form von Faktenwissen, das in einem menschlichen Gehirn gespeichert wird, viel von seinem Wert verlieren wird oder schon verloren hat.

Außerdem: Die „Mainstream-News“, von denen „Nachrichten-Großhändler wie die dpa früher sehr auskömmlich gelebt haben, kommen mir heute meist bereits morgens zu den Ohren raus. Denn ich bekomme sie täglich auf zig Kanälen in völlig identischer Form aufgedrängt – ich muß nur zu Web.de oder GMX gehen, um meine Mails abzurufen – schon kriege ich die komplette Nachrichtenlage an „National News“ ungefragt auf den Bildschirm.

Das ist der Grund, weshalb Medien mit „Gemischtwaren-Charakter“ immer mehr Schwierigkeiten bekommen werden. Der Punkt ist einfach, dass man viele Regale im Gemischtwarenladen nicht braucht.

Ich glaube, das große Problem dabei ist gar nicht mal so sehr die Tatsache, dass der Kunde/Leser hier das Gefühl hat, für etwas zu bezahlen, das er nicht nutzt. Das Problem ist: Der Leser hat nicht mehr die Zeit, den ganzen Gemischtwarenladen abzusuchen nach für ihn relevanten Inhalten. Nach neuen Studien haben die Menschenbim Jahr 2008 täglich dreimal so viele Informationen konsumiert wie 1960. Computer-User wechseln im Durchschnitt 37-mal pro Stunde die Aktivität. Also: Wo in früheren Zeiten oft schlicht der Wunsch nach „Lesestoff“ dominierte, mit dem man freie Zeit füllen kann, gilt heute umgekehrt: Genau die Zeit ist der limitierende Faktor. Das Medium hat seine Berechtigung anders als früher dort, wo es klares Profil gewinnt und den möglichst besten Zeit-Nutzen-Faktor.

Das aber kann nur bedeuten: Weg mit jeglichem Ballast. Konzentration auf das Wesentliche. In den Abfall mit sprachlichen Stuckdecken, langatmigen Texten, Zeilenschinden, um-das-Thema-herumschreiben. Texte müssen für Suchmaschinen optimiert werden – als Nebeneffekt werden sie dadurch auch verständlicher, weil unnötige Umschreibungen und Synonyme wegfallen. Wichtige Schlüsselwörter müssen verlinkt werden – nicht so sehr wegen Google, sondern um eine mehrdimensionale Nutzung auf verschiedenen Detailierungs-Ebenen zu ermöglichen. Ziel muß sein: Superschnelle, kurze Info – aber Gleichzeitig die Möglichkeit, über die Links an beliebiger Stelle beliebig tief einzusteigen.

Mancher sagt jetzt vielleicht: Kalter Kaffee! Das machen wir im Web doch seit 15 Jahren!

Echt? Wer macht das? Wer macht das konsequent? Eben.

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Bombay und die Blogger

Angesichts der Anschläge in Bombay hat man ja wieder mal gesehen, auf welchem Wege die News am schnellsten ins Netz kommen: Durch die Blogger. Einige davon sollen sogar im belagerten Hotel bereits erste Postings gesendet haben, als sie noch in Deckung unter dem Tisch im Restaurant lagen.

Jetzt geht natürlich die Diskussion wieder los: Nicht alles, was Blogger so bloggen, genügt ja strengen journalistischen Anforderungen. Manches war auch schlicht falsch oder bei irgendeinem anderen Blog abgeschrieben.

Flugs wird daraus eine Existenzberechtigung für uns Journalisten sowie für die klassischen Medien gezimmert.

Nun: Das wäre natürlich schön.

Allerdings glaube ich nicht, dass es wirklich so einfach ist und wir uns entspannt zurücklehnen können, weil unsere Dienste ja auch in Zeiten der Blogosphäre weiterhin gebraucht werden. Folgende Probleme gibt es:

  1. „klassische“ Journalisten haben oft noch große Berührungsängste, wenn es um sowas wie Blogs geht. Bloggen sie selbst, dann entstehen eigentlich fast immer keine Postings, sondern „Artikel“. Das ist aber kein Blogging, das ist Zeitungsschreibe.
  2. Es gibt (jedenfalls meines Wissens) keinerlei Ausbildungsbemühungen, um dem Nachwuchs beizubringen, wie man Blogs etc. für die Recherche verwenden kann. Dies vermutlich weil
  3. Die Branche selbst noch keine Meinung hat, ob es nun tatsächlich besser ist, Blogs als Quelle oder inhaltlichen „Steinbruch“ zu verwenden, oder ob man sie besser ignoriert, und schließlich
  4. Die Blogosphäre selbst derartig amorph und, ja, „schnell“ ist, dass sie sich den behäbigen Mechanismen des, sagen wir mal „journalistischen Establishments“ ganz einfach durch Geschwindigkeit entzieht.

Ich sehe da eigentlich nur die Chance, dass wir wirklich ernsthaft am Nachwuchs arbeiten. Denn ehrlicherweise muß ch sagen, dass auch ich jetzt nicht spontan wüßte, wie man im Falle Bombay die blogmässige Spreu vom Weizen trennen könnte.

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Webdesign: Die Rückkehr des Farbleitsystems

Es ist eine Freude. Habe eben die Website vom Guardian angeguckt – wie ich finde derzeit eine der schönsten Zeitungswebseiten. Und siehe da: Es gibt dort ein Farb-Leitsystem, also verschiedene Rubriken (Sport, Anzeigen, Multimedia, Kommentare) haben jeweils eine eigene Layout-Farbe. So findet man sich besser zurecht in den vielen, vielen Inhalten, die eine Website dieser Größenordnung anzubieten hat.

Die Idee war lange verschütt bzw. out.

ABER. Ich muß an dieser Stelle darauf hinweisen, dass wir bei nordbayern.de, der Website, mit der ich beruflich zu tun habe, schon 2001 ein Farbleitsystem eingeführt haben. Vielleicht wird die Sache mit dem Guardian ein Anlaß sein, über das Thema neu nachzudenken.

Gleichzeitig lese ich in einem britischen Journalistenblog, dass auch der „Daily Telegraph“ im Moment relauncht. Kommende Woche sollen die ersten Sektionen im neuen Kleid erscheinen.

Dieses Layout ist auch sehr schön, verzichtet aber bis auf blau fast komplett auf Farbe als Gestaltungsmittel. Dafür ist den Kollegen eine sehr gute Lösung gelungen, wie man eine riiiiieeeesige Homepage mit Hilfe verschieden großer Bilder bzw. Bildleisten gestalten kann. Denn beim Guardian sind alle Bilder prinzipiell gleich groß, es gibt dort keinen „richtigen“ Aufmacher mit einem größeren Bild. Und ich finde, die Bildgröße ist für den User ein guter Anhaltspunkt für die Bedeutung des jeweiligen Themas.

Also mein Favorit wäre eine Mischung mit den Bildelementen des Telegraph und vielleicht einer noch etwas abgespeckten Farb-Navigation a la Guardian.

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