Der tote Gaddafi: Krieg der Bilder, wieder mal

Den Anfang machte eigentlich Nicolae Ceaușescu. Bei der Hinrichtung des vormaligen Rumänischen Diktators war im Dezember 1989 eine Fernsehkamera dabei, die die Erschießung mit automatischen Waffen in allen Details filmte. Die Begründung war die gleiche wie die für die Fotos des toten und verbrannten Adolf Hitler im Garten der Reichskanzlei: Man wolle der Öffentlichkeit gegenüber dokumentieren, dass der Diktator wirklich tot sei.

Das ist jedes Mal eine zwiespältige Sache. Schon bei Hitler hielten sich ja bekanntlich jahrelang Gerüchte, der „Führer“ sei gar nicht tot, die verkohlte Leiche auf dem berühmten Foto sei eine andere. Dennoch wurde immer wieder das Ende von Despoten live gefilmt, zuletzt die Hinrichtung durch Erhängen Saddam Husseins.

Aber hier hatte sich schon ein Wandel vollzogen, der zunächst technischer Natur war: Saddams tot wurde nicht mehr quasi „offiziell“ gefilmt, sondern heimlich, mit einer Handy-Kamera und ohne Wissen oder Zustimmung der Behörden. Das Video tauchte wenig später im Internet auf, über die Authentizität wurde gestritten.

Nun bringt heute der britische „Guardian“ ein Video auf seiner Website. Auch dieser Film kommt von einem Handy, er zeigt eine Szene, die im Zusammenhang steht mit dem derzeit noch rätselhaften Tod von Muammar al Gaddafi im libyschen Sirt. Die Frage ist: Starb Gaddafi durch eine Verletzung im Kampf, oder wurde er nach seiner Festnahme von den Rebellen hingerichtet?

Das Video zeigt – man kann es leicht sehen – im Grunde: nichts. Verwackelte Bilder, Geschrei, etwas, das wie Gewehrschüsse klingt. Und mittendrin zwei künstlich eingefrorene Standbilder, die offenbar beweisen sollen, dass es sich bei dem Körper, der hier durchs Bild geschleift wird, um Gaddafi handelt (es sieht tatsächlich so aus). Aber: Lebt er? Ist er tot? Was ist passiert? Ist er es wirklich?

Klar: Durch die immer weitere Verbreitung immer besserer Handy-Kameras, durch die damit verbundene Publikationsmöglichkeit auf Youtube oder sonstwo im Internet werden immer mehr Ereignisse in bewegten Bildern festgehalten.

Aber es wird auch immer schwerer, die Bilder zu deuten und zu verifizieren. Das, was der Guardian hier macht, verlagert die Deutungshoheit aufs Publikum. Und dies wiederum ist für ein Medium, dass doch immerhin den Anspruch professionellen Journalismus´ auf der Fahne stehen hat, ein bißchen zu wenig.

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