Hübsche Idee: Zeit online mit Bookmarks der Redaktion

zeit_bookmarksEine schöne Idee habe ich heute auf der Website der Zeit im „Digital-Ressort“ gefunden. Mitten im Strom der Nachrichten steht da eine Box mit der Überschrift „Das liest das Digital-Ressort“. In der Box laufen dann als vertikaler Ticker Anreißer der betreffenden Seiten oder Artikel durch.

Ich finde, das ergänzt das redaktionelle Angebot sehr schön, verbreitert es gewissermaßen und hebt es auf eine persönlichere Ebene. Natürlich wird damit ein Stück weit meine Neugierde angesprochen, denn mich interessiert ja schon irgendwie, was die schlauen Leute von der „Zeit“ selbst so lesen.

allthingsdEin ähnliches Element hat seit geraumer Zeit schon das von mir sehr geschätzte „Allthingsd“ auf der Homepage, also der Digital-Ableger der Washington Post. Hier findet man unter der Überschrift „Must-Reads“ immer eine sehr gute Auswahl von Artikeln, die auf anderen Websites veröffentlicht wurden.

Bei solchen Sachen neigen klassische Journalisten ja immer sehr leicht zu Panik-Attacken, weil sie denken, jeder Link nach außen sei ein Armutszeugnis für die eigene Site. Ich sehe das nicht so, ganz im Gegenteil: Oft sind die „Must-Reads“ das einzige, was ich bei „Allthingsd“ lese – mit anderen Worten: Gäbe es sie nicht, würde ich die Seite überhaupt nicht besuchen.

Ich denke also, solche ganz bewußt gesetzten und sorgfältig ausgewählten Links nach außen sind eine Aufwertung für jedes gute Online-Portal. Nicht zuletzt entsprechen sie der grundlegenden Natur des Internets.

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Die deutsche „Huffington Post“ startet

Bildschirmfoto 2013-10-10 um 11.23.28Nach all der Häme, die sich vor allem in den Sozialmedien in den letzten Tagen über das Projekt „deutsche Huffington Post“ ergossen hat (Zeter! Boris Becker macht mit! Mordio! Cherno Jobatey ist dabei!!!), geht es seit heute um die Wurst. Vor einer guten Stunde ist die deutsche Ausgabe der „Huffington Post“ offiziell gestartet.

Der Eindruck, den die Website auf mich macht, ist noch sehr gemischt. Das beginnt beim Aufmacher, der sehr nach Bildzeitung klingt und den ich journalistisch nicht nachvollziehen kann (die Meldung, dass angeblich jeder dritte Deutsche Neuwahlen will, habe ich noch nirgends anders gelesen, was ich aber erwarten würde, wenn das eine große, ernstzunehmende Studie wäre). Und so geht es auf der Seite weiter: Aha, ein Dreamliner hat mal wieder umkehren müssen, weil die Toiletten defekt waren. Soso, die „deutschen müssen ihre Körpersprache ändern“ (???). Zwischen diesen Kuriositäten offensichtliche Spinoffs der amerikansichen Huffpost-Mutter („Reportage aus dem Todestrakt“) und die normale Nachrichtenkost, die ich heute auch auf allen anderen großen Nachrichtensites finde (der berühmte Bischofssitz in Limburg, der Machtpoker bei den Grünen).

Dies alles findet bei der Huffpost in der mittleren von drei Content-Spalten statt – und das brauche ich so eigentlich nicht, zumal die Artikel nicht besonders tief gehen, jedenfalls nicht so tief wie die Meldungen bei der Konkurrenz.

Interessant ist dagegen die linke Spalte: hier findet man in regelmässigem HTML5-Wechsel die Beiträge der „Gastautoren“ von Boris Becker bis Nicolas Berggruen und Ursula von der Leyen. Es liegt in der Natur der Sache, dass das zum großen Teil natürlich keine aktuellen Beiträge sind, sondern eher Aufsätze im Stil eines Leitartikels. Der Themenmix ist durchaus interessant, er reicht von Gedanken über die Zukunft der Arbeitswelt über das für und wider der Todesstrafe bis hin zu Ausführungen über das sichere Speichern von Daten in der Cloud.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich diese Spalte zu etwas orignellem, einzigartigem entwickelt. Momentan aber kommt mir das alles noch relativ beliebig vor. Man muß also mal abwarten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist mir die Huffington Post insgesamt noch zu konventionell und noch nicht wirklich Fisch oder Fleisch.

Gar nicht gefällt mir hingegen die mobile Website, die auf der Homepage ausschließlich die teils sehr nichtssagenden Schlagzeilen anbietet. Hier müssen die Verantwortlichen dringend nochmal ran und entweder bessere Überschriften machen oder wenigstens einen kurzen Textvorspann zusätzlich anbieten.

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Münchner Medientage: warum man nicht mehr hingehen muss

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=sV8N3B32AxE]Früher waren die Münchner Medientage, die jedes Jahr Ende Oktober stattfinden, für mich ein Fixpunkt in meinem Terminkalender. Im Kongresszentrum an der Münchner Messe in Riem gab es immer interessante Vorträge zu hören, und wer nicht da war, der hatte hinterher etwas verpasst. Aber das ist jetzt vorbei.
Und zwar aus zwei Gründen: erstens ist das, was von den wichtigen der Medienbranche ihr so erzählt wird, inhaltlich nicht gerade auf der Höhe der Zeit. Dazu nur ein Beispiel: Telekom Chef René Obermann forderte diese Woche doch tatsächlich, dass Google für die Nutzung der Telekom Netze bezahlen sollte. Absurder, gestriger geht es nicht. Und ich muss wirklich nicht auch noch Geld dafür bezahlen und einen Tag Arbeitszeit opfern, um mir Leute anzuhören, die das Internet, die Social Media noch immer nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen.
Der zweite Grund ist ganz pragmatisch: ich kann mir die Medientage auch so anschauen. Ohne hinzugehen. Dazu genügt es, auf YouTube einfach mal den Suchbegriff Münchner Medientage einzugeben – und man kann sich viele Panels anschauen. Ob das will, siehe oben, ist eine andere Frage.
Noch viel schöner ist es, während der Medientage bei Twitter den Hashtag #mtm12 einzugeben – und schon kann man quasi live verfolgen, was wer in welcher Podiumsdiskussion gerade sagt. Das hat sogar noch einen Mehrwert gegenüber der persönlichen Anwesenheit, denn physisch kann ich ja immer nur gleichzeitig in einem Saal sein, auf Twitter dagegen bin ich überall.
Ich würde mal interessieren, ob das andere Leute auch zu sehen. Denn dann haben die Medientage ein potentielles Problem. Es würde mich in diesem Fall wiederum nicht wundern, wenn man anfangen würde, live twittern oder YouTube Videos verbieten zu wollen. Das würde in die alte Denke passen. Aber letztlich nichts helfen.

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Online-Journalismus: Wolf Schneider und das Web

Deutsch: Wolf Schneider (* 7. Mai 1925 in Erfu...

Wolf Schneider (Bild) ist ein Mensch, den jeder deutsche Journalist kennt: Sein Bücher „Deutsch für Profis“ und „Das neue Handbuch des Journalismus“ sind Standardwerke, die den heute 86-jährigen zum absoluten Branchen-Promi gemacht haben.

Allerdings: Jetzt ist Schneider ins Zentrum eines regelrechten „Shit-Storms“ gerückt. Die Neuauflage seines Journalisten-Handbuchs hat auch ein Kapitel über Online-Journalismus, das vielen offenbar nich gefällt, weiles angeblich nicht gerade vor Sachkenntnis strotzt.

Sei dem, wie ihm wolle. Das Ganze hat jetzt aber der Online-Branchendienst „Meedia.de“ zum Anlaß genommen, Wolf Schneider zu interviewen – und dieses Interview ist sehr lesenswert. Einerseits offenbart sich darin eine gewisse Geringschätzung des Grandseigneurs für das Medium Internet im Allgemeinen und die Blogosphäre (die den Shit-Storm ausgelöst hat) im Besonderen. Nun gut, irgendwie kommt hier das Alter wohl schon ins Spiel.

Auf der anderen Seite aber sagt Schneider auch Sätze, die man immer noch, selbst im Jahr 2012, jedem Volontär ins sprichwörtliche Stammbuch schreiben möchte. Zum Beispiel jenen, in dem Schneider erklärt, was das wirkliche Wesen von gutem Journalismus ist:

Man darf nicht darauf warten, dass die Leute von sich aus sagen, was sie wollen. Man muss die Witterung haben, was sie morgen wollen werden.

Für diesen Satz kann man Schneider immer noch gerne haben – aber wie gesagt: Das ganze Interview ist sehr lesenswert; hier bei Meedia.de.

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Journalismus: Hoffnungsschimmer mal zwei

[youtube=http://www.youtube.com/watch?feature=player_profilepage&v=vK2_3WRRqgQ]Journalisten sind derzeit arg verunsichert – siehe das obige Video der „Axel Springer Akademie“ zur Zukunft der Zeitung. Aber: Zum Jahresende ist man ja eher versöhnlich gestimmt. Deswegen hier angesichts der vielen, vielen schlechten Nachrichen, die insbesondere Print-Journalisten in 2011 zu erdulden hatten, mal zwei Ansätze, die uns alle Hoffnung geben können – auch wenn sie aus ganz verschiedenen Richtungen kommen.

Der eine, vorgetragen von dem britischen Journalisten und Journalismus-Fachmann Steve Dyson, singt das Hohelied der Lokalzeitung. Am Beispiel der „Gazette & Herald“ wird erklärt, warum guter Lokaljournalismus noch immer sein Geld wert ist: Weil er eine lokale Geschichte mit allen Details erzählen kann – und das kann man nur, wenn man tatsächlich Reporter (erfahrene Reporter!) am Ort des Geschehens hat. Weil er weiß, was für die Menschen vor Ort wichtig ist und was sie interessiert. Weil er akribisch sein kann, weil er durchaus auch in der Print-Ausgabe genügend Platz hat, um seine Geschichten in hinreichender Ausführlichkeit zu erzählen. Und weil eine Print-Zeitung für die vielen Geschichten, die sie exklusiv bringen kann, immer noch saubillig ist.

Der zweite Ansatz ist ein digitaler. Er reflektiert auf die Ereignisse des arabisch-afrikanischen Frühlings, aber auch auf Themen wie die Erschießung von Osama Bin Laden, also insgesamt auf die Tatsache, dass „Breaking News“ heute in den Sozialmedien stattfinden und selbst klassische Nachrichtenagenturen das Primat der Nachrichtensetzung an diese Sozialmedien – allen voran Twitter – verloren haben. Und nicht nur das: Selbst dann, wenn klassische Medien die News etwas später „nachtwittern“, erzielen sie damit oft weniger Reichweite als „echte“ Blogger oder einfach Leute, die schlicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Folgerichtig nennt die Journalismus-Website „GigaOm“ diesen Paradigmenwechsel „News as a Process“ – und sieht ihn als Chance.

Denn: Den unglaublichen Wust an sich teilweise widersprechenden Info-Schnipseln, der dadurch entsteht, dass jeder Handybesitzer plötzlich eine Stimme hat, die potenziell alle hören können, muß ja irgendjemand ordnen. Und wer wäre dafür besser qualifiziert als Journalisten, die Nachrichtenauswahl und das Verifizieren von Quellen gründlich gelernt haben?

Eben. Die Zukunft an dieser Stelle könnte also so aussehen: Die Breaking News kommen von Twitter und Facebook zunächst mal ungefiltert in die Welt. Professionelle Journalisten filtern und verifizieren das Material und geben etwas später eine quasi „offizielle“ Version der Ereignisse heraus. Diese Version kann und wird sich solange ändern, wie eine Geschichte in Fluß ist – nehmen wir die Proteste in Ägypten, die sich über Wochen und Monate hinzogen. Wenn die Vorgänge hinreichend klar sind, kommen wiederum die professionellen Journalisten, stellen alles in einen Zusammenhang und erklären es – wobei sie sich an dieser Stelle durchaus auch schon mal vom hektischen Tagesgeschäft zurückziehen, um eben wirklich gründlich sein zu können. An letzter Stelle stehen im „Journalismus als Prozess“ dann ebenso wie heute: Die Geschichtsbücher.

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Evidero: Das News-Portal von Neven DuMont ist online

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=b9b49Zk-icc]Spannend, spannend: Der Kölner Verlegersohn Konstantin Neven DuMont, der vor rund einem Jahr unter nicht sehr charmanten Umständen aus dem väterlichen Unternehmen geflogen war, hat jetzt was eigenes.

Das Portal nennt sich etwas verschwurbelt „Evidero“ und, so suggeriert jedenfalls der Videotrailer, soll uns alle mal so richtig aufrütteln: Die Themen sind Nachhaltigkeit, Veränderung, Energiewende, solche Sachen. Dahinter steckt offenbar großes Engagement und der Wille, die Welt zum besseren zu verändern. Ein hoher, ein edler Anspruch. Respekt!

Ein kurzer Check auf dem Portal selbst zeigt dann, worum es konkret geht: Ein Artikel steht unter der Überschrift „Iss nachhaltig und rette die Welt!“. Es ist ein Rundumschlag. Ein Rundumschlag gegen den Verzehr von Thunfisch, gegen zu viel Fleisch, gegen Spekulationen mit Lebensmitteln. Nichts davon ist wirklich neu, aber es ist ganz gut geschrieben, der Text hat einen langen Atem. Die Aufmachung ist gar nicht schlecht, es gibt zahlreiche Grafiken und Links im Artikel. Also: Ein Text für Leute, die Zeit haben, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Aber noch kein richtiger Hinweis, worum es nun bei „Evidero“ eigentlich gehen soll.

Zweiter Versuch. Der Aufmacher heißt „Geld ist nicht alles“, der erste Satz lautet „Geld ist eine Illusion“. Im Text wird noch einmal die Banken- und Finanzkrise auf sehr grundsätzlicher Ebene diskutiert, zum Beispiel anhand der Tatsache, dass der Wert aller gehandelten Börsenpapiere die gesamte (reale) Wirtschaftsleistung der Welt um Größenordnungen übersteigt. Ich muß sagen: So grundsätzlich liest man das in der Tagespresse nicht; hier ist tatsächlich eine Informationslücke, die Evidero besetzen könnte. Schade finde ich dagegen, dass das im Video-Trailer angeteaserte Experiment im Chiemgau, wo einige Händler ihr eigenes Geld „erfunden“ haben, in dem Artikel nicht zur Sprache kommt. Das Thema findet man nur relativ umständlich über den Menüpunkt „Video“. Gut, aber das sind vielleicht Kinderkrankheiten.

Also: Dritter Versuch. In seinem „Editorial“ schreibt Evidero-Gründer Konstantin Neven DuMont:

„Wir wollen Themen setzen, Katalysator und Forum sein.“

und weiter:

„Über einige unserer Themen oder Ansätze lässt sich trefflich streiten. Gerade darauf freuen wir uns. Missstände nur aufzuzeigen ist ein zu einfacher Weg; den erhobenen Zeigefinger mögen wir genauso wenig wie Sie. Orientierung geben zu wollen ist ein hoher Anspruch, der die offene Diskussion braucht.“

In der Tat: „Orientierung geben“ ist wirklich ein sehr hoher Anspruch. Einer, den ich vor 20 Jahren in meiner Ausbildung zum Journalisten noch als Aufgabe der Tageszeitung gelernt habe. Ob diese heute auf diesem Gebiet noch sehr aktiv ist, muß jeder Leser selbst beurteilen – Fakt ist allerdings: In Zeiten der Informationsüberflutung wird es immer schwieriger, den Überblick zu behalten. Und in Zeiten der Social Media ist ja auch das Nachrichtengeschäft so lange schneller geworden, bis es vor einigen Jahren die Echtzeit erreicht hat. Schneller geht es seitdem nicht mehr.

Also ist der Ansatz, langsamer zu werden (und das tut Evidero letztlich), vielleicht genau der richtige. Ich sehe im Zustand des Portals heute durchaus gute Ansätze, auch wenn man anhand von nur zwei Themen noch nicht wirklich beurteilen kann, wie gut diese Ansätze verwirklicht werden. Ich würde mir irgendwie schon wünschen, dass es klappt mit Evidero – und drücke die Daumen.

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Lesebefehl: „The Deal from Hell“ von James O`Shea über US-Zeitungen

Wenn das nicht mal ein treffender Buchtitel ist: „The Deal from Hell“ – so hieß in US-Finanzkreisen die Übernahme der „Chicago Tribune“ und der „Los Angeles Times“ durch Finanzinvestoren in den Jahren 2007/2009. Am Ende landete dieser Deal vor dem Konkursrichter.

Alle (teils sehr unschönen) Details dieses Deals erzählt James O´Shea (Bild) in seinem gleichnamigen Buch. Aber das ist nicht alles. Fast nebenbei gibt es dazu noch zwei andere Geschichten.

Die eine ist die (berufliche) Lebensgeschichte des Ausnahme-Journalisten O´Shea, der seine Karriere 1971 beim „Des Moines Register“ begann. Sein erster Einsatz damals war ein tödlicher Autounfall, O`Shea hatte die Aufgabe, bei den Familien der Verunglückten Interviews zu führen und Fotos zu beschaffen. Weitere Stationen waren eine Zeit als Korrespondent im Washington der 70er, also der großen Zeit der Zeitungsreporter, und eine Phase als Reporter.

O´Sheas Geschichte ist eine ganz typische für einen Journalisten seines Alters – sie hängt aber auch ganz eng zusammen mit der Geschichte des Journalismus, genauer: des Zeitungs-Journalismus. O´Shea erzählt ebenso anschaulich wie spannend, welche Möglichkeiten (heute würde man sagen: welche „Ressourcen“) Zeitungsjournalisten (und Zeitungsredaktionen) in den 70er Jahren hatten, wie sie mit ungeheurer Manpower monatelang auf der ganzen Welt recherchieren konnten (und nebenbei: Zur Arbeit flog man selbstverständlich First Class), nur um danach eine einzige Enthüllungsstory zu veröffentlichen. Das ist aus heutiger Warte absolut unglaublich, aber sprießende Werbeeinnahmen in Verbindung mit der damaligen Monopolstellung der Zeitungen im Nachrichten-Markt machten das problemlos möglich.

Doch die Zeiten blieben nicht so gut. Zuerst kam das Kabelfernsehen als zusätzlicher Konkurrent, dann das Internet. Parallel versuchten manche Eigentümer von Zeitungsverlagen, ihre Anteile entweder gleich komplett zu versilbern oder wenigstens möglichst viel Geld aus ihren Unternehmen zu saugen. Damit das möglich war, wurde immer mehr in den Redaktionen gespart – teils unter dem Vorwand, die Leser wollten ohnehin keine „harten News“, sondern würden leichtere (und billiger herzustellende) Geschichten sowieso viel lieber lesen.

Bei all dem zeigte sich O´Shea, mittlerweile „Editor“ (also Chefredakteur) der L.A.Times, stets als Vorkämpfer des Journalismus als Rückgrat einer Zeitung – eine Haltung, die ihn letztlich den Job kostete.

Was danach passierte, ist fast ebenso interessant wie die Vorgeschichte: James O´Shea ist heute Chefredakteur der „Chicago News Cooperative“, also einer gemeinnützigen Einrichtung, die News aus Chicago kostenlos im Web publiziert und mittlerweile auch Content für die Chicago-Seiten der New York Times zuliefert. Es mag sein, dass ein solches spendenfinanziertes Modell vielleicht nur kurze Zeit funktioniert (und vielleicht auch nur in den USA oder einer Großstadt wie Chicago). Aber ein Hoffnungsschimmer für guten Journalismus ist es allemal.
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[vimeo http://www.vimeo.com/22585451 w=400&h=225]

Inside the Chicago News Cooperative from Chicago News Cooperative on Vimeo.

[vimeo http://www.vimeo.com/27174964 w=400&h=300]

Jim O’Shea says goodbye to the Chicago Tribune newsroom from Chicago News Cooperative on Vimeo.

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Die neue Mangelware: Aufmerksamkeit

Chris Anderson ist immer gut. In der vorigen Ausgabe des Wirtschaftsmagazins „Brand Eins“ steht ein wieder mal hoch interessantes Interview mit ihm. Eigentlich geht es darin um sein schon nicht mehr ganz neues Buch „Free“.

Aber das kennt man ja eigentlich schon, die Thesen darin sind auch ganz ähnliche wie diejenigen von Jeff Jarvis in „Was würde Google tun?“ – und letztlich eine Forführung von „The Long Tail“: In der digitalen Wirtschaft sind die Grenzkosten derartig nahe an „nichts“, dass man die meisten Produkte eigentlich auch gleich ganz verschenken kann. OK, das war jetzt ein bißchen salopp ausgedrückt.

Interessanter scheint mir im Moment so eine Art Neben-Gedankengang, in dem sich Anderson mit der Gegenwart und vor allem der Zukunft von Journalismus beschäftigt.

Vor zwanzig Jahren, als ich in der Branche angefangen habe, war es ja noch so: Jounalisten hatten Herrschaftswissen. Diejenigen dpa-Meldungen, die man nicht in der Zeitung untergebracht hat, die gab es für das breite Publikum da draußen schlicht nicht. In den achtziger Jahren konnte man noch jeden Abend nach Umbruchschluß die Redaktion verlassen in dem schönen Gefühl: Ich weiß was, was ihr da draußen entweder erst morgen früh oder gar nicht erfahrt.

Vorbei.

Damals hieß die Mangelware „Information“. In meiner Kindheit in den 70er Jahren war es noch problemlos möglich, jede Zeile jedes Druckwerkes zu lesen, das bei uns im Haushalt vorkam. Und danach war einem noch langweilig. Und vieles, was man gerne noch vertieft gewußt hätte, vieles, was vielleicht ein Hobby betraf – das erfuhr man einfach nicht.

Vorbei.

Auf dem weiten Weg von Neil Postmans Unterhaltungsgesellschaft über Negropontes „Total Digital“ bis hin zu Anderson und Jarvis ist uns der Mangel an Information abhanden gekommen – und damit eigentlich auch der klassischen Presse mit ihren Massenmedien das Geschäftsmodell.

Journalisten müssen nicht mehr den Mangel an Platz, Zeilen, Sendeminuten verwalten. Ganz im Gegenteil.

Heute sind nicht nur die abstrusesten Informationen zu jedem noch so abseitigen Nischenthema über den Mechanismus von Google sofort zugänglich. Das geht so weit, dass Expertenwissen, eigentlich jede Form von Faktenwissen, das in einem menschlichen Gehirn gespeichert wird, viel von seinem Wert verlieren wird oder schon verloren hat.

Außerdem: Die „Mainstream-News“, von denen „Nachrichten-Großhändler wie die dpa früher sehr auskömmlich gelebt haben, kommen mir heute meist bereits morgens zu den Ohren raus. Denn ich bekomme sie täglich auf zig Kanälen in völlig identischer Form aufgedrängt – ich muß nur zu Web.de oder GMX gehen, um meine Mails abzurufen – schon kriege ich die komplette Nachrichtenlage an „National News“ ungefragt auf den Bildschirm.

Das ist der Grund, weshalb Medien mit „Gemischtwaren-Charakter“ immer mehr Schwierigkeiten bekommen werden. Der Punkt ist einfach, dass man viele Regale im Gemischtwarenladen nicht braucht.

Ich glaube, das große Problem dabei ist gar nicht mal so sehr die Tatsache, dass der Kunde/Leser hier das Gefühl hat, für etwas zu bezahlen, das er nicht nutzt. Das Problem ist: Der Leser hat nicht mehr die Zeit, den ganzen Gemischtwarenladen abzusuchen nach für ihn relevanten Inhalten. Nach neuen Studien haben die Menschenbim Jahr 2008 täglich dreimal so viele Informationen konsumiert wie 1960. Computer-User wechseln im Durchschnitt 37-mal pro Stunde die Aktivität. Also: Wo in früheren Zeiten oft schlicht der Wunsch nach „Lesestoff“ dominierte, mit dem man freie Zeit füllen kann, gilt heute umgekehrt: Genau die Zeit ist der limitierende Faktor. Das Medium hat seine Berechtigung anders als früher dort, wo es klares Profil gewinnt und den möglichst besten Zeit-Nutzen-Faktor.

Das aber kann nur bedeuten: Weg mit jeglichem Ballast. Konzentration auf das Wesentliche. In den Abfall mit sprachlichen Stuckdecken, langatmigen Texten, Zeilenschinden, um-das-Thema-herumschreiben. Texte müssen für Suchmaschinen optimiert werden – als Nebeneffekt werden sie dadurch auch verständlicher, weil unnötige Umschreibungen und Synonyme wegfallen. Wichtige Schlüsselwörter müssen verlinkt werden – nicht so sehr wegen Google, sondern um eine mehrdimensionale Nutzung auf verschiedenen Detailierungs-Ebenen zu ermöglichen. Ziel muß sein: Superschnelle, kurze Info – aber Gleichzeitig die Möglichkeit, über die Links an beliebiger Stelle beliebig tief einzusteigen.

Mancher sagt jetzt vielleicht: Kalter Kaffee! Das machen wir im Web doch seit 15 Jahren!

Echt? Wer macht das? Wer macht das konsequent? Eben.

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