Tesla – New York Times: 1:1

Tesla Grand Opening in Menlo Park - Tesla Chai...

Eine Geschichte wie diese wäre noch vor 10 Jahren praktisch unmöglich gewesen: Da schreibt ein Journalist der hoch angesehenen New York Times einen Bericht über das Elektro-Auto Tesla „Model S“. Sein Fazit: Bei kälteren Temperaturen leere sich der Akku des Gefährts praktisch über Nacht, das Laden dauere stundenlang und außerdem komme man mit dem Auto nicht so weit, wie es die Bordelektronik anzeigt. Das Ganze gipfelt in einem Bild des Tesla auf dem Abschleppwagen, weil unterwegs der Akku schlappgemacht habe.

So weit, so schlecht. Normalerweise hätte die Geschichte hier geendet. Tesla (und deren berühmt-berüchtigter Chef Elon Musk, im Bild oben) hätten jetzt bei der „Times“ anrufen können, etwaige Anzeigenaufträge stornieren und vielleicht einen Leserbrief schreiben können. Interessiert hätte das aber wohl kaum jemanden.

Doch wir leben im Jahre 2013, und da sind Firmen längst nicht mehr so wehrlos gegen mißliebige Medienberichte wie früher. Also griff Musk höchstselbst in die Tasten und schilderte fürs firmeneigene Blog unter dem Titel „A most peculiar test drive“ („eine höchst seltsame Testfahrt“) seine (Teslas) Sicht der Dinge: Man habe sämtliche Fahrzeugdaten während der gesamten Testfahrt des Reporters mitgeloggt, verrät er den erstaunten Lesern.

So könne man etwa nachweisen, dass der Reporter viel schneller (und damit verbrauchsintensiver) gefahren sei, als er es in seinem Artikel geschrieben hatte. Außerdem habe er den Akku zu kurz geladen und sei wieder losgefahren, obwohl die Reichweiten-Anzeige ganz klar gezeigt hätte, dass für die geplante Strecke zu wenig Strom im Akku war. Das Ganze gipfelt in der Behauptung (und der Abbildung einer Grafik zum „Beweis“), der Reporter sei sogar eine halbe Stunde lang auf einem Parkplatz im Kreis gefahren, um mutwillig den Akku zu leeren. Das sind wahrhaft deftige Vorwürfe, die jeden ehrbaren Journalisten auf der Welt schwer ins Grübeln bringen müssen und die eine fristlose Kündigung wert wären, wenn sie denn stimmten.

Aber die Geschichte geht noch weiter: Jetzt hat sich auch der Times-Journalist zu Wort gemeldet – ebenfalls in einem Blogeintrag. Und, o Wunder, natürlich hat er für alle Musk-Vorwürfe absolut einleuchtende Erklärungen.

Wir lernen hier zweierlei:

  1. Es herrscht Waffengleichheit zwischen den „ehemaligen Massenmedien“ und den Firmen, über die sie berichten (bei Privatleuten ist das noch nicht so, jedenfalls nicht in Deutschland). Die ehemaligen Massenmedien müssen sich darauf einstellen, dass ihre Berichte nicht länger unwidersprochen bleiben und sie nicht länger zwangsläufig am längeren Hebel sitzen. Im Besten Falle heißt das nichts anderes als: Sie müssen noch mehr darauf achten, ihren Job ordentlich zu machen.

  2. Die Waffengleichheit führt dazu, dass ausgebildete Journalisten, die (zumindest sollte das so sein) ihren Job gelernt haben und einen gewissen Ehrenkodex befolgen, auf absoluter Augenhöhe sprechen mit Leuten, auf die beides nicht zwingend zutrifft. Unabhängig davon, wer im vorliegenden Falle recht hat: Diese Konstellation führt im Zweifel dazu, dass das geneigte Publikum noch weniger Chancen hat als vorher, zwischen wahr und falsch zu unterscheiden. Und das ist gefährlich.

 

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