Lesebefehl: „Linchpin“ von Seth Godin

Also: Bücher von Seth Godin sind ihr Geld eigentlich immer Wert. Aber dieses hier besonders. Es geht um ein Thema, das uns eigentlich alle angeht (zumindest diejenigen, die arbeiten…) – vielleicht manchmal, ohne dass wir es merken.

Die Arbeitswelt ändert sich. OK. Einfache (Büro-)Jobs macht entweder der Computer oder der Inder. Auch OK. Das haben auch andere Leute schon gemerkt, zum Beispiel Daniel Pink in seinem brillianten Buch „A Whole New Mind“ (ebenfalls Lesebefehl!).

Aber bisher hat noch niemand so richtig deutlich gemacht, was das Ende der Industriegesellschaft, das Ende der Fabriken (und auch eine Versicherungsgesellschaft ist in diesem Sinne eine „Fabrik“) für uns alle bedeutet. Für die Art, wie wir Arbeiten.

Von vorne: Fabriken brauchen möglichst billige, möglichst austauschbare Arbeitskräfte. Der Gewinn einer Fabrik kommt aus der Differenz zwischen dem Lohn, den die Arbeitskräfte bekommen, und dem Mehrwert, den sie erwirtschaften. Um den Gewinn zu optimieren, muß dieses Delta möglichst hoch sein.

In der Industrie funktioniert das prima: Der Monteur am Fließband eines Autoherstellers, der Sachbearbeiter einer Bank, der „Barista“  bei Starbucks: Sie alle tun mehr oder weniger immer das gleiche, und sie alle sind im höchsten Maße austauschbar. Oder, in den Worten von Seth Godin: „Heben“ kann mehr oder weniger jeder, „Lesen und schreiben“ oder „Microsoft Word bedienen“ auch.

Nur, wie gesagt: „Heben“ kann der Vietnamese, „Lesen und schreiben“ mittlerweile der Rechner ganz alleine – also wozu noch nach Jobs streben, die derart uniform sind, dass sie quasi ohne uns günstiger zu erledigen sind? Seth Godin sagt: Weil unsere Erziehung uns dazu zwingen will. Und zwar deshalb, weil nun bald hundert Jahre lang dieser Deal prima funktioniert hat: „Sei brav, funktioniere. Begehre nicht auf, hab keine originellen Ideen. Und Du wirst ein Leben lang einen sicheren Job in irgendeiner „Fabrik“ haben und Dein Auskommen.“

Aus, vorbei.

Karstadt ist pleite, AEG kaputt, Opel kämpft. Alles klassische Beispiele für das alte Fabrikmodell.

Was müssen wir anders machen?

In Zeiten der Globalisierung muß der Erfolg von Unternehmen (ich sage bewußt nicht: Fabriken) aus den Ideen, aus dem Engagement ihrer Mitarbeiter kommen. Das heißt aber: Buckeln, Maul halten und auf den Feierabend oder die Rente warten funktioniert nicht mehr. Menschen mit Ideen sind unbequem, Engagement macht Arbeit, Aufbegehren, eine Meinung haben bedeutet Risiko. Eine völlig neue Situation. Für Unternehmen, aber auch für Arbeitnehmer. Nur: Es hilft ja nichts.

Der Erfolg des iPods kommt nicht daher, dass in einer (vermutlich) chinesischen Fabrik brav irgendwelche Arbeiter irgendwelche Elektronikteile zusammenstöpseln. Der Erfolg kommt aus dem guten Design, der Erfolg kommt aus dem einzigartigen Bedienkonzept – und letztlich kommt daher auch der Mehrwert und der Aktienkurs von Apple. Ganz bewußt steht auf den Geräten nicht „Made in China“, sondern: „Designed by Apple in California“.

Nun also: Wir brauchen einen neuen Typus von Mitarbeiter, damit aber auch einen neuen Typus von Unternehmer. Denn wer Ideen hat, sich einbringt, Engagement zeigt, der wird für das Unternehmen zunehmend unersetzlicher. Und davor haben viele Unternehmen Angst, weil es eben dem jahrzehntelang gelernten Mantra „Jeder ist ersetzbar“ diametral widerspricht. Auf der anderen Seite ist diese neue Art zu Arbeiten auch für den Mitarbeiter angstbesetzt, denn sie bedeutet ja, wie gesagt: Mehr „Arbeit“, mehr Risiko. Aber sie bedeutet auch: Mehr Erfolg. Für den Einzelnen, für sein Unternehmen.

Weil Seth Godin das so klar darstellt, ist dieses Buch überaus lesenswert.

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Linchpin: Are You Indispensable?

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