Buchverleger? Braucht man nicht (sagt Amazon).

Heute war in der New York Times ein interessanter Artikel (danke an @mmeckel für den Hinweis!) darüber, wie Amazon sich in den USA gerade ein neues Geschäftsfeld erschließt: Das Unternehmen wirbt gezielt Bestsellerautoren von ihren Verlagen ab und beginnt selbst, Bücher zu verlegen. Dafür hat sich der Konzern schon im Frühjahr den ehemaligen Random House-Manager Laurence Kirshbaum geholt, der das Geschäft nun aufbauen soll.

Auf der anderen Seite gibt es Fälle, in denen Verlage ihre Autoren auf gut deutsch gesagt rausschmeißen, wenn die anfangen, bei Amazon selbst Bücher herauszugeben, z. B. für den Kindle. Prominentestes Beispiel dafür ist die hawaiianische Schriftstellerin Kiana Davenport (Bild), die es gewagt hat, bei Amazon eine Sammlung alter Kurzgeschichten herauszugeben. Damit war der Vertrag mit ihrem Verlag und ebenso der Vorschuß für ihr kommendes Buch futsch.

Offensichtlich liegen also vor allem auf der Verlegerseite die Nerven blank. Klar: Dort hat man in der Vergangenheit oft für sehr wenig Leistung von den Autoren sehr hohe Erlösanteile genommen. Inwieweit die Verlage tatsächlich die Funktion erfüllt haben, aktiv nach neuen Talenten zu suchen und auch mal ins Risiko zu gehen, um der Welt neue Literatur zu schenken – darüber kann man trefflich streiten.

Nicht zuletzt zeigen auch Initiativen wie das „Domino Project“ von Seth Godin (übrigens zufälligerweise „powered by Amazon“…), dass die Tage des traditionellen Buchverlagswesens gezählt sind: Spätestens, seit wirklich jeder Depp (sogar ich) per Upload einer simplen Word-Datei bei Amazon ein E-Book für den Kindle mit nur wenigen Mausklicks publizieren kann, stellt sich die Frage nach der Existenzberechtigung von Verlagen schon sehr ernsthaft. Gut, OK: Autoren müssen von irgendwas leben, während sie die Bücher schreiben, von deren Honoraren sie dann nach der Publikation zehren können. Aber das kriegt man auch irgendwie anders hin. Und das Thema „Marketing“ hat sich in Zeiten des Social Web auch weitgehend erledigt – jedenfalls, soweit es große Etats betrifft. Es gibt heute tatsächlich eine reelle Chance, auch ohne großen Apparat bekannt zu werden und Geld zu verdienen. Und die klassischen Produktionskosten gehören in den Zeiten der E-Books ja ohnehin der Vergangenheit an.

Was nun stattfindet, sind Abwehrkämpfe seitens der Buchverleger, die im Grund erkennen müssten, dass ihr Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert bzw. nicht mehr vorhanden ist – und sich ein Neues suchen müssten. Da ist es natürlich einfacher, weiterhin das mindestens scheintote Papierpferd zu reiten und eifersüchtig darüber zu wachen, dass nur ja niemand diesem Pferd ein Bein stellt. Aber auch ohne gestellte Beine wird man auf einem scheintoten Pferd nicht mehr allzuweit reiten können. Mich erstaunt dabei nur, dass nicht endlich jemand aus dem lernt, was man in der Musik- und Filmindustrie schon gesehen hat. Nämlich: Die Zeiten der Schallplatten, DVDs und Papierbücher sind vorbei.

Der Konflikt spielt sich also in Wahrheit nicht ab zwischen Kindle und den Buchverlegern, er spielt sich ab zwischen Vergangenheit und Zukunft, oder, schlimmer noch: Zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

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