Ilse Aigner und das Internet

English: Federal ministers Ilse Aigner and Pet...

Die Meldung blieb weitgehend unbemerkt: For rund einer Woche sprach unsere Bundes-facebook-abschaffungs-ministerin Ilse Aigner (CSU) mit dem „Tagesspiegel am Sonntag“ aus Berlin. Denn Aigner macht sich Sorgen: Bürger ohne Internet-Anschluß könnten ins gesellschaftliche Abseits geraten.

Schon klar: Wer kein Smartphone hat, kann am Flughafen nicht mit der elektronischen Bordkarte einchecken. Wer nicht online ist, kann nicht in der Wikipedia lesen oder beim Einwohneramt nachschauen, wie die Öffnungszeiten sind.

Doch das alles meint Aigner nicht. Ihr geht es ausschließlich um „das Bestreben der Wirtschaft, Personalkosten zu sparen“. Die böse, böse Wirtschaft wieder!

Dabei sollte Frau Aigner eigentlich wissen, dass schon seit etlichen Jahren Steuererklärungen nur noch elektronisch (via Internet-Anschluß) abgegeben werden können. Nebenbei bemerkt: Das geht nur mit Windows, weil es nur eine einzige amtliche Steuer-Software gibt – und die läuft bis heute weder unter Linux noch auf dem Mac. Und das ist nur ein Beispiel dafür, dass der Staat selber ganz kräftig dabei ist, Angebote und Dienstleistungen aller Art mehr oder weniger komplett ins Internet zu verlagern.

Also: Einerseits ist die Ministerin wieder einmal schlecht informiert.

Andererseits verfolgt Sie hier aber wieder, genauso wie bei ihrem „heroischen“ Austritt aus Facebook vor einiger Zeit (der, wie wir wissen, ja Facebook extrem beeindruckt hat…) eine Haltung, die aus einer gewissen Uninformiertheit und einem Unverständnis der neuen Technik herrührt und die im Grunde darauf aus ist, das Internet oder mindestens die bösen Sozialmedien am liebsten wieder abschaffen zu wollen.

Die Ministerin übersieht dabei gleich mehrere Punkte.

Erstens: Das Internet ist ein Standortfaktor für das rohstoffarme Deutschland. Wenn wir nicht aufpassen, wird diese Schlüsseltechnik in ein paar Jahren ausschließlich aus den USA kommen – deutsche Gründer überlegen sich jetzt schon in vielen Fällen, ob sie ihre Geschäftsidee nicht lieber von den USA aus verwirklichen sollen, weil sie dort ein wesentlich gründerfreundlicheres Klima vorfinden. Und wenn die Hightech-Nation Deutschland erst einmal abgehängt ist, fangen die Probleme so richtig an. Im Grunde zeigt Aigners hilfloser Facebook-Austritt ja selbst schon den Kern des Problems: Facebook ist ein Unternehmen in den USA, also ist der Einfluß der deutschen Politik hier gleich null.

Das Internet ist aber noch mehr, nämliche eine mittlerweile grundlegende Kulturtechnik, und damit in etwa vergleichbar anderen Kulturtechnik wie lesen und schreiben. Und genau so, wie die Politik vor rund 200 Jahren begonnen hat, sich um die Analphabeten-Rate zu kümmen, so hat sie heute die Aufgabe, nicht das Internet zu verteufeln, sondern es zu fördern und die Internet-Fähigkeiten in der Bevölkerung voranzubringen. Da gibt es an den Schulen noch etwas zu tun, da kann man aber auch über bessere Angebote in der Erwachsenenbildung nachdenken.

Und schließlich: Ein Rechner kostet heute kein Vermögen mehr, die billigsten Tablets und Netbooks mit Online-Zugang sind schon für 200 Euro zu haben. Man muß schon längst nicht mehr Wirtschaftsinformatik studiert haben, um ein WLAN oder einen DSL-Anschluß einrichten zu können. Auch an diesem Punkt, denke ich, ist die Ministerin einfach nicht auf der Höhe der Zeit. Was passiert, wenn sich hinreichend viele Menschen selbst diese billigen Zugangsmöglichkeiten nicht leisten können, kann man sehr schön in Entwicklungsländern beobachten: Dort hat sich in vielen Fällen ein blühender Wirtschaftszweig entwickelt, der entweder in Form von „Internet-Stuben“ von der stundenweisen Vermietung von Internet-Zugängen lebt – oder der ähnlich der ebenfalls verbreiteten „Schreibstuben“ für Analphabeten gleich die gesamte Online-Dienstleistung übernimmt, also stellvertretend für den User surft. Ich sehe nicht, warum das in Deutschland nicht genauso gehen soll.

Und mithin sehe ich das Problem hier nur in der nach wie vor schlechten Fachkompetenz von Politikern bei allen Themen, die auch nur ansatzweise mit dem Internet zu tun haben.

Ein Kommentar zu “Ilse Aigner und das Internet

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