Wiesenhof und das Web 2.0

Diese Woche ist etwas Neues passiert – und etwas altgewohntes.

Doch der Reihe nach. Am Mittwoch abend lief in der ARD eine Reportage über die Praktiken bei dem Geflügel-Fabrikanten Wiesenhof (hier anschauen!). Über die journalistische Qualität des Beitrages kann man durchaus streiten (wenige Primärquellen, dafür relativ viel altes Material, sehr deutliche Tendenz in den Texten…), über die Massentierhaltung bei Wiesenhof allerdings natürlich auch.

Schon im Vorfeld der Sendung hatte Wiesenhof versucht, gegen den Beitrag vorzugehen (Novum 1), obwohl im Beitrag auch der Wiesenhof-Seniorchef zu Wort kam (Novum 2).

Aber die echte Neuheit ist: Wiesenhof versicht nicht nur old-media-mässig die Presse mundtot zu machen – Wiesenhof setzt seine eigene Stimme dagegen.

Das beginnt damit, dass die Arbeit der ARD-Journalisten teilweise durch ein Wiesenhof-Videoteam begleitet wurde. Das geht weiter damit, dass Wiesenhof einen eigenen Youtube-Kanal mit seiner Sicht der Dinge betreibt.  In diesem Youtube-Kanal wurde auch unmittelbar auf den ARD-Film reagiert. Und die neue Strategie endet noch lange nicht damit, dass Wiesenhof den Social-Mindmapping-Dienst „mindmeister“ benutzt, um in einer öffentlichen Mindmap namens „Faktencheck“ wiederum seine Sicht der Dinge zum ARD-Beitrag kundzutun.

Nun kann man natürlich sagen: „Wiesenhof ist DAS BÖSE! Die sind gemein zu Hühnern! Die lügen! Und jetzt lügen Sie auch noch bei Youtube und mindmeister!“

Man kann aber auch feststellen: So ungelenk, unbeholfen, ungeschickt das alles auch noch (noch!!!) sein mag: Da beginnt jemand in Ansätzen zu begreifen, wie man heute AUCH Unternehmenskommunikation machen kann.

Beiträge verbieten zu wollen – das war gestern, ist schwer bis unmöglich und gibt eh nur schlechte Presse. Heute ist: Etwas dagegensetzen, die Kanäle der Social Media für die eigene Version der Wahrheit einsetzen. Ich will da jetzt keinen unziemlichen Zusammenhang herstellen, aber die gleiche Vorgehensweise setzen autoritäre Regime in Mittelost schon seit Jahren ein (Nachzulesen etwa in dem brilianten Buch „The Digital Origins of Dictatorship and Democracy“ von Philip N. Howard…) – und die ARD-Journalisten haben nichts wirklich dagegen zu setzen als moralische Entrüstung und hektische Aufgeregtheit.

Die Chance an der ganzen Geschichte liegt darin, dass sich hier wieder ein Stück der Wahrheitsfindung aus den „Medien“ in die „digitale Öffentlichkeit“ verlagert. Das Risiko ist, dass der berühmte „Otto-Normal-Facebooknutzer“ letztendlich wieder mit einer unüberschaubaren Gemengelage im Regen steht, auf die er sich keinen Reim machen kann. Deshalb müssen Journalisten:

  • Endlich zur Kenntnis nehmen, dass Deutungshoheit nicht mehr identisch ist mit dem Besitz einer Druckerpresse oder eines Sendekanals
  • aufhören, über social-media-bewußte Unternehmen die Nase zu rümpfen und sie in die Ecke zu stellen
  • Wege finden, auch in der digitalen Welt Wahrheit sauber von Lüge zu trennen
  • Selbst aktiv mit Social Media umgehen.

So, das war jetzt mal ein etwas längerer und etwas ernsterer Post – aber es mußte sein, Leute.

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Apple iCloud: So, jetzt sind sie weg – unsere Daten.

Eigentlich bin ich ein riesiger Fan von Cloud Computing, nutze gerne Dienste wie Google Docs, Mindmeister und Slideshare. Da hätte ich gestern eigentlich euphorisch zur Kenntnis nehmen müssen, dass Apple nun mit „iCloud“ seine Cloud-Dienste in eine ganz neue Dimension überführt: Ab dem Herbst sollen ALLE Daten AUTOMATISCH so synchronisiert werden, dass auf allen Geräten, die man so hat, derselbe Stand vorliegt. Also: Dieselbe Software, dieselben Daten.

Das Gute daran ist zweifellos: Mit dieser Technik verliert das „digitale Eigentum“ seine esoterische Komponente. Sprich: Einen Song, einen Film „als Datei“ zu „besitzen“, ist nicht mehr ganz so flüchtig wie heute. Viele Leute (auch ich) haben ja Angst davor, was alles weg ist, wenn man aus Versehen die Festplatte löscht. Das kann nun nicht mehr passieren – jedenfalls solange, wie Aplle seine Rechenzentren im Griff hat.

Aber: Alle, und ich meine hier wirklich ALLE meine Daten liegen künftig im Zugriff von Apple. Also gilt die alte Horrorvision, die beispielsweise eine Pleite oder die Übernahme durch russische Oligarchen für Apple an die Wand malt (und ich rede noch nichtmal davon, was ein Unfall wie Fukushima anrichten würde, wenn er in der Nähe der Rechenzentren stattfinden würde). Wesentlich realistischer dürfte noch die Frage sein: Was wird Apple mit diesen Daten machen? Vielleicht habe ich ja nicht nur Filme mit Mickymaus, vielleicht habe ich auch „Filme für Erwachsene“, vielleicht habe ich meine Freundin mal in einer Situation fotografiert, die andere Leute nichts angeht?

Ich komme zum selben Fazit wie immer, wenn ich über die Cloud nachdenke: Das ist ein Thema für die Politik. Denn es kann nicht sein, dass ein Lebensbereich von solcher Wichtigkeit nicht geregelt ist. Klar, ich weiß schon, was mancher Politiker jetzt entgegnen wird: Apple ist doch eine US-Firma! Da haben wir in Deutschland und in Europa doch gar keinen Einfluß!

Eben, Leute. Eben.

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