Mein eigenes „Kleine-Welt“-Experiment

[slideshow]Erst einmal: Vielen herzlichen Dank an meine Studenten an der HS Ansbach dafür, dass sie dieses Experiment mitgemacht haben.

Es geht dabei um die Wiederholung eines Klassikers. Der US-Soziologe Stanley Milgram hat in den 60er Jahren mithilfe dieses Experiments versucht herauszufinden, wie stark die Welt (sprich: die Menschen) miteinander vernetzt sind. Dazu hat er 100 Briefe, die alle an einen Börsenmakler in Boston adressiert waren, willkürlich an Menschen verteilt, die im mittleren Westen der USA daheim waren. Diese Menschen bekamen die Aufgabe, die Briefe jeweils an diejenige Person weiterzugeben, von der sie glaubten, sie sei der Zielperson innerhalb ihres Bekanntenkreises am nächsten. Nach den Befunden, die Milgram publiziert hat (und die mittlerweile höchst umstritten sind), sind fast alle Briefe innerhalb ovn 6 „Stufen“ am Ziel angekommen. Diesen Effekt hat Milgram dann auf den Namen „Small World Phenomenon“ getauft.

Nur: Bis heute ist dieses Experiment nie wirklich erfolgreich nachvollzogen worden. Derzeit läuft zwar unter der Ägide von Duncan J. Watts (der das wunderbare Buch „Six Degrees“ zum Thema verfaßt hat) bei Yahoo ein Großversuch, der Milgrams Theorie mit Hilfe von Social Networks überprüfen möchte.

Aber ich habe mir gedacht, man sollte vielleicht einfach mal den klassischen Weg mittels Brief versuchen.

Also habe ich im Oktober an 15 Studenten Briefumschläge verteilt (jeweils einen), die mit meiner Privatadresse beschriftet waren. Die Aufgabe war genau die gleiche wie bei Milgram: „Bitte gebt diesen Brief an denjenigen in Eurem Bekanntenkreis weiter, von dem ihr glaubt, dass er am nächsten an mir dran ist“, lautete meine Bitte.

Und ich muß sagen: Es ist ein kleiner Teil-Erfolg zu verzeichnen. Wie die Bilder oben zeigen, hat mich tatsächlich einer der Briefe erreicht – Es waren dafür nur drei Zwischenstufen nötig. Allerdings: Die letzte Stufe ist ein Kollege von mir, und der Brief hat mich im Büro erreicht und nicht daheim.

Und was lernen wir draus? Im streng wissenschaftlichen Sinne natürlich gar nichts, denn das Experiment war in diesem Sinne keines.  Schließlich stellt sich bei diesem Setup ganz stark die Frage, wie motiviert die Studenten waren, überhaupt auf das Spielchen einzugehen. Aber immerhin: Auch meiner kleiner Spaß hat gezeigt, dass die Welt vernetzt ist – in dem einen Fall, der tatsächlich funktioniert hat, sogar ziemlich stark.

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Jeder kennt jeden – über 4,74 Ecken.

Facebook hat gerade eine Studie veröffentlicht, die sich mit dem Grad der Vernetztheit unter Facebook-Usern beschäftigt. Nach den Ergebnissen der Untersuchung kennt jeder Facebook-User jeden anderen über exakt 4,74 „Ecken“ oder Zwischenstufen. Im Jahr 2008 lag die Kennziffer noch bei 5,28 – damit sind die Facebooker heute deutlich vernetzter als noch vor drei Jahren. Das berichtet die Website „AllthingsD“ (Mehr Details hier).

So. Und was bedeutet das? Diese Vernetzungs-Geschichten gehen ja alle zurück auf ein berühmtes, aber leider arg in die Irre führendes Experiment des Soziologen Stanley Milgram. Der hatte Ende der 60er Jahre versucht herauszufinden, über „wieviele Ecken“ Farmer im amerikanischen Mittelwesten einen Börsenmakler in Boston kennen. Berühmt gewordenes Ergebnis: Es sind genau 6 Ecken. Daraus leitete man die Theorie ab, dass jeder Mensch jeden anderen auf der Welt über diese 6 Ecken kennt. Also: Ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der Dich kennt.

Eine ganze Forschungsrichtung ist aus diesem einen unseligen Experiment entstanden, Bücher wie „Tipping Point“ von Malcolm Gladwell und „Six Degrees“ von Duncan J. Watts beschäftigen sich mit der Theorie dahinter.

Heute wissen wir: Milgrams Experiment war eine Fälschung; in Wahrheit sind fast gar keine Briefe wirklich beim Empfänger angekommen – und die, die es taten, kamen gar nicht von Bauern, sondern von Bankern.

Es lohnt sich aber durchaus, an dieser Stelle nochmal auf den entscheidenden Schwachpunkt (und das hinkende Bein des Vergleichs mit sowas wie Facebook) hinzuweisen: Einen Brief verschicke ich 1:1, also EINEN Brief an EINE Person. Das ist schon vom Grundprinzip her nicht vergleichbar mit einem Facebook-Wallpost, das ja meist an ALLE meine Freunde geht, die es wiederum an ALLE ihre Freunde weiter-teilen oder „-liken“ können. Also: Broadcast. Rundfunk. Dass mit dieser Methode eine viel dichtere Art von Netzwerk entsteht, ist irgendwie klar. Kein Grund also, über die neue Studie überrascht zu sein – Zumal noch die soziologische Binsenweisheit hinzukommt, dass sich Facebook-User untereinander gerne mal durchaus ähnlicher sind als Facebook-Nutzer und Nicht-Facebook Nutzer.

Also: Möglicherweise ist es schön, dass wir so vernetzt sind. Überraschend ist es nicht.

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