Steve Jobs und schwarze Schwäne

English: Steve Jobs shows off the white iPhone...
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Wir haben ja derzeit eine wahre Welle der Steve-Jobs-Verehrung. Allenthalben wird der jüngst verschiedene Ex-Chef von Apple als DIE Blaupause des erfolgreichen Unternehmer-Typus hingestellt: Charismatisch, workaholisch, schwer paranoid, das Sozialverhalten indisponiert bis nicht vorhanden.

Aber diese Denke hat einen gravierenden Fehler, den man ganz gut erklären kann mit einem Buch, das zu den allerschlauesten der letzten Jahre gehört: „Black Swan“ von Nassim Nicholas Thaleb. Der ehemalige Börsenmakler Thaleb beschreibt darin, wie sich unser Gehirn manchmal in die Irre leiten läßt. Eines seiner Beispiele ist genau die immer wieder anzutreffende Tendenz, aus dem Lebenslauf berühmter Leute etwas lernen zu wollen. Thalebs These aber lautet: Es gibt im Leben wesentlich mehr Zufall, als man gemeinhin annimmt.

Auf Steve Jobs übersetzt bedeutet das: Die Tatsache, dass EIN völlig durchgedrehtes Waisenkind mit zweifelhaften Ansichten zur Körperhygiene es schafft, das wertvollste Unternehmen der Welt aus dem Boden zu stampfen – diese Tatsache bedeutet nicht, dass wir alle das auch können, wenn wir nur aufhören, uns die Füße zu waschen.

Insofern wäre mein Tipp: Die Lebensgeschichte von Jobs ist ja durchaus spannend und das Buch von Isaacson gut geschrieben – aber man sollte deswegen trotzdem nicht beginnen, sich selbst zu verleugnen.

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EBooks und Tablets: offene gegen geschlossene Systeme

Heute habe ich – mit etwas Verspätung – die wirklich gute Steve-Jobs-Biografie von Walter Isaacson gelesen.

Einer der spannendsten Punkte darin, der im Läufe des Buchs immer wieder auftaucht, ist der Zweikampf zwischen Apple und Microsoft. Es ist dies ja, schon seit den 80er Jahren, nicht „nur“ der Kampf zweier Firmen, sondern vor allem der Kampf zweier Systeme.
Hie Microsoft mit seinem  Kernprodukt Windows, das den Siegeszug des PCs vor allem dadurch ermöglicht hat, dass jeder Hardware-Hersteller, der das wollte, Windows für sich lizensieren konnte. Dort Apple, das seit den Zeiten des Mac Classic auf eine untrennbare Verschmelzung von Hard- und Software setzte.

Die Vor- und Nachteile sind klar: Das Microsoft-Modell bringt potenziell mehr Marktanteil, während das Apple-Modell tendenziell ein besseres Produkt, aber auch höhere Gewinnspannen ermöglicht – weil eben alles aus einer Hand kommt und folglich derjenige, der sein iPad wirklich ausreizen will, zur Ergänzung eigentlich auch einen Mac braucht und keinen PC.
Wenn man so will, dann steht die gesamte Internet- und Computerbranche derzeit indessen Kampf offener gegen geschlossene Systeme.

  • Telefone: iPhone (geschlossen) gegen Android (offen)
  • PCs: Apple (geschlossen) gegen Windows (ein bisschen offen) und Linux (sehr offen)
  • Tablets: iPad (geschlossen) gegen Windows und Android
  • E-Books: Amazon Kindle (geschlossen) gegen iBooks (auch geschlossen) und ePub (offen)

Die Erfolgsgeschichte von Apple scheint nahe zu legen, dass geschlossene Systeme einen Vorteil haben. Andererseits holt gerade Android (jedenfalls bei Mobiltelefonen) als offenes System ziemlich auf. Wiederum andererseits spielen offene Systeme wie ePub im noch sehr jungen Markt der digitalen Bücher fast keine Rolle; der Markt wird mit Amazons Kindle und Apples iBooks von zwei geschlossenen Systemen dominiert.

Vielleicht gibt es auf der Welt ja auch Platz für beides. Denn geschlossene Systeme haben noch einen ganz anderen Nachteil: Sie neigen dazu, böse zu sein.

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Das Leben des Steve

Ein Mann mit markantem Gesicht und dünnem Haupthaar. Eine Hand, nachdenklich am Kinn, daran ein Ehering. Eine randlose Brille, kreisrunde Gläser.

Das ist kein Portrait.

Das ist eine Ikone.

Die Ikone, jenes Portrait des verstorbenen Steve Jobs, schaut uns in den letzten Tagen von immer mehr Internet-Seiten, aus immer mehr Fernsehkanälen und an immer mehr Schauplätzen der Trauer an. Auch drei Tage nach dem Tod von Jobs nimmt es kein Ende – im Gegenteil, nach meinem Eindruck wird es wirklich immer noch mehr (zum Beispiel hier, bei der New York Times…)

Ich finde, wir müssen langsam aufpassen.

So charismatisch, wichtig, meinetwegen gut Steve Jobs auch gewesen sein mag: Die hysterische Trauer tausender Menschn, die ihn nicht mal persönlich gekannt haben, sondern eigentlich nur die Produkte seiner Firma gut finden – diese Anführungszeichen-„Trauer“ nimmt langsam Züge an, die wir seit dem Autounfall von Prinzessin Diana nicht mehr gesehen haben.

Das Schwierige ist: Es besteht kein Zusammenhang zur Person, zum Menschen Steve Jobs. Und deshalb müssen wir aufpassen, dass wir nicht (wie in dem wunderbaren Film „Das Leben des Brian“) hier einen neuen Messias züchten, der statt Nächstenliebe noch allenfalls ein paar praktische Lebenstipps aus seiner Rede in Stanford bereit hält. Klar, die Stanford-Rede ist gut – sicher sogar besser als fast alles, was Unternehmenslenker sonst so von sich geben.

Aber die Kirche muß trotzdem bitte im Dorf bleiben. Und das Dorf heißt nicht Palo Alto.

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Apple iCloud: So, jetzt sind sie weg – unsere Daten.

Eigentlich bin ich ein riesiger Fan von Cloud Computing, nutze gerne Dienste wie Google Docs, Mindmeister und Slideshare. Da hätte ich gestern eigentlich euphorisch zur Kenntnis nehmen müssen, dass Apple nun mit „iCloud“ seine Cloud-Dienste in eine ganz neue Dimension überführt: Ab dem Herbst sollen ALLE Daten AUTOMATISCH so synchronisiert werden, dass auf allen Geräten, die man so hat, derselbe Stand vorliegt. Also: Dieselbe Software, dieselben Daten.

Das Gute daran ist zweifellos: Mit dieser Technik verliert das „digitale Eigentum“ seine esoterische Komponente. Sprich: Einen Song, einen Film „als Datei“ zu „besitzen“, ist nicht mehr ganz so flüchtig wie heute. Viele Leute (auch ich) haben ja Angst davor, was alles weg ist, wenn man aus Versehen die Festplatte löscht. Das kann nun nicht mehr passieren – jedenfalls solange, wie Aplle seine Rechenzentren im Griff hat.

Aber: Alle, und ich meine hier wirklich ALLE meine Daten liegen künftig im Zugriff von Apple. Also gilt die alte Horrorvision, die beispielsweise eine Pleite oder die Übernahme durch russische Oligarchen für Apple an die Wand malt (und ich rede noch nichtmal davon, was ein Unfall wie Fukushima anrichten würde, wenn er in der Nähe der Rechenzentren stattfinden würde). Wesentlich realistischer dürfte noch die Frage sein: Was wird Apple mit diesen Daten machen? Vielleicht habe ich ja nicht nur Filme mit Mickymaus, vielleicht habe ich auch „Filme für Erwachsene“, vielleicht habe ich meine Freundin mal in einer Situation fotografiert, die andere Leute nichts angeht?

Ich komme zum selben Fazit wie immer, wenn ich über die Cloud nachdenke: Das ist ein Thema für die Politik. Denn es kann nicht sein, dass ein Lebensbereich von solcher Wichtigkeit nicht geregelt ist. Klar, ich weiß schon, was mancher Politiker jetzt entgegnen wird: Apple ist doch eine US-Firma! Da haben wir in Deutschland und in Europa doch gar keinen Einfluß!

Eben, Leute. Eben.

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Web will eat itself

Es waren einmal die frühen 90er Jahre. Damals war Popmusik noch ein Geschäft. Allerdings veränderte sich die Musik gerade: Durch neue digitale Techniken wurde es möglich, Teile von Songs zu digitalisieren (zu „sampeln“) und in unveränderter oder auch bearbeiteter Form in neue Stücke einzubauen.

Schlaue Leute entwickelten daraus die These, mit der Technik des Sampelns höre eigentlich die Innovation auf, weil eigentlich immer nur noch bereits vorhandenes „recycelt“ und neu zusammengebaut würde. Also: „Pop will eat itself“.

Nun, 15 Jahre später, war mal wieder alles nicht so schlimm.

Aber ich frage mich gerade, ob man nicht der alten These angesichts der Blogosphäre einen zweiten Frühling gönnen sollte.

Zurzeit lese ich sehr viele Blogs (sicherlich: nicht wahllos, sondern vornehmlich zu Medienthemen). Und da fällt mir auf, dass 90% dessen, was man da liest, Zitate sind aus anderen Blogs oder den „etablierten Medien“. Also: Gestern steht in der Hunnington Post, dass die New York Times neues zu berichten hätte über die Gesundheit von Apple-Chef Steve Jobs. Einen Tag später findet man das Ganze auf Macnews.com und auf Golem. Also das Zitat vom Zitat des Zitates. So ähnlich vergangene Woche mit der Bankhofer-Geschichte: Niggemeier zitiert die „Stationäre Aufnahme“ und wird selber im Handelsblatt-Blog zitiert. ddp greift das Ganze schließlich auf, der WDR wirft Bankhofer raus und das Ganze wird wiederum von Niggemeier und Stationäre Aufnahme kommentiert.

Sicher: Auch in den Papiermedien geistert ein- und dieselbe Meldung manchmal eine ganze Woche lang herum. Aber dort hat das auch mit Redaktionsschlüssen und Andruckterminen zu tun. Die gibt´s im Web nicht, also muß die Frage erlaubt sein: Will Web eat itself?

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