Die Paywall bei der „Bild“: Ich versteh´ sie nicht

Groß war sie angekündigt worden: Die so genannte „Paywall“ bei der elektronischen Variante der Bild-Zeitung: Seit 11. Juni muß man nun für einige Inhalte der Homepage Geld bezahlen. Die Abomodelle reichen dabei von 99 Cent (im Testzeitraum, später 1,99) im Monat bis zu über zehn Euro für das Komplettpaket inklusive Bundesliga.

Allein: Ich verstehe das Ganze nicht.

Um die Reichweite (und damit die Werbe-Erlöse, die sich aus den Klickzahlen auf die Seiten speisen) nicht zu gefährden, ist weiterhin das meiste kostenlos zu lesen – unter anderem auch das berühmte „Bild-Mädchen“. Bei meinem Test war beispielsweise die gesamte Berichterstattung über die „Jahrhundert-Flut“ frei zugänglich. Ein Bericht über den Aleppo-Besuch des Schauspielers Jan Josef Liefers (der „Professor Börne“ aus dem Tatort) jedoch nicht. Ein kurzer Gegen-Check bei Google ergab: Auch der Link von dort auf den „Bild“-Bericht ist gesperrt (das ist anders als etwa bei der New York Times, wo Links von Google und aus sozialen Netzwerken grundsätzlich immer offen sind). Allerdings: Eine einfache Google Suche nach den Begriffen „Liefers Aleppo“ ergabe zahlreiche weitere Berichtet zum Thema, etwa vom Kölner Stadtanzeiger, die natürlich frei zugänglich waren.

Damit komme ich nicht umhin, eine ähnliche Schlußfolgerung zu ziehen wie vergangene Woche schon Thomas Knüwer auf dem Blog „Indiskretion Ehrensache“: Das Ganze scheint mir zum jetzigen Zeitpunkt (noch) relativ unausgegoren. Es macht keinen Sinn, Inhalte zu sperren, die ich genauso oder ähnlich über eine einfache Google-Suche woanders finden kann. Und Inhalte, die ich nicht so leicht woanders finden kann, sehe ich bis dato auf Bild.de allenfalls aus dem Ressort „Das Reich der Seltsamkeiten“: Für die Geschichte zum Thema „Was Sie tun müssen, um 100 Jahre alt zu werden“ würde ich nicht mal 99 Cent zahlen – darüber schlapp lachen kann ich mich auch so.

Die Tragik an der Geschichte mit der „Bild+“ genannten Bezahlschranke: Es wird ein an sich aus Sicht der Verlage absolut wichtiges Unterfangen, nämlich die Refinanzierung der Inhalte über direkte (also nicht Werbe-) Erlöse zu verbessern, deutlich zurückgeworfen. Wenn die Verantwortlichen nicht schnell nachbessern, werden sich andere Verlage an das Thema mit Sicherheit noch weniger herantrauen als bis dato.

(Disclaimer: Ich bin bei einem deutschen Regionalzeitungsverlag angestellt. Die hier geäußerte Meinung ist jedoch meine private und nicht die meines Arbeitgebers)

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