Wachstum: Twitter vor Facebook

Nach einer Meldung von Mashable verzeichnet Twitter derzeit ein deutlich stärkeres Wachstum als Facebook; mittlerweile ist man bei fast 300 Millionen monatlich aktiven Usern – das ist ganz klar die Facebook-Liga (und nebenbei bemerkt: Welches Netzwerk schrumpft am schnellsten? Richtig: StudiVZ).

Warum ist das so?

Ich selbst nutze Twitter wesentlich lieber und öfter als Facebook, und hier sind meine – ganz privaten – Top-Gründe dafür:

  1. Klarheit: Das Benutzer-Interface von Twitter ist einfach und luftig, ich sehe in der Standard-Einstellung eigentlich nur meine Timeline und ein paar Details dazu. Das Umschalten zu „Erwähnungen“ und zu meinem Profil geht ebenfalls ganz einfach, nur die DMs („Direct Messages“) waren im alten Design von Twitter besser zu erreichen. Das geht jetzt nämlich nur noch per Klick auf  „Account“ und dann auf ein kleines Briefumschlag-Symbol, das auf der Account-Seite steht. Das ist mir ein Klick zu viel.

  2. Die Tweets selbst: 140 Zeichen gehen, mehr im Prinzip nicht. Daran halten sich die meisten User, und das wiederum sorgt dafür, dass man seine Timeline ganz gut in den Griff kriegt: Niemand schreibt Romane. Viele User posten auch Bilder, das macht ebenfalls Spaß – allerdings deutlich weniger, seit Twitter dem Bilder-Netzwerk Instagram neulich den Krieg erklärt hat, was im Ergebnis dazu führt, dass Instagram-Bilder nicht mehr direkt in der Twitter-Timeline angezeigt, sondern nur noch verlinkt werden. Das war kein kluger Schachzug.
  3. Die Privatsphäre: Erstens will Twitter nicht so viel von mir wissen wie Facebook. Ich kann hier gar nicht (jedenfalls gibt es dafür kein eigenes Datenfeld) meinen Beziehungsstatus angeben oder die Tatsache, dass ich in meiner Freizeit reite. Das mag für Twitter ein riesiger strategischer Nachteil in der Vermarktung sein. Für mich ist es ein riesiger Vorteil. Zweitens: Twitter ändert nicht alle zwei Minuten (gefühlt) die Geschäftsbedingungen oder stellt Inhalte, die vorher ganz klar privat waren, plötzlich und ohne Ankündigung auf  „öffentlich“.
  4. Die „dünne Regelschicht“: Nach diesem Diktum von Eli Pariser besteht der hauptsächliche Unterschied zwischen Twitter und Facebook in der Transparenz der „Filter-Regeln“. Also: Bei Facebook gibt es ja den berühmten „EdgeRank“-Algorithmus, der letztlich darüber entscheidet, welche Postings meiner „Freunde“ ich im Newsfeed sehe und welche nicht. Das ist für die meisten User (auch für mich) völlig intransparent und sehr schwer in den Griff zu kriegen: Weil ich ja nicht sehe, was mir der Algorithmus vorenthält. Auf Twitter dagegen ist die Sache völlig klar: Wenn ich jemandem folge, sehe ich dessen öffentliche Postings. Alle. Punkt. Und wenn mich die- oder derjenige nervt, dann entfolge ich ihn, und ich sehe nichts mehr. Fertig. Das mag sich jetzt anhören wie ein Detail am Rande – aber für mich ist genau das der Grund, warum ich Twitter mag und Facebook (eigentlich) nicht.

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Twitter + MS Project = Wunderkit?

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Ob dies hier der Welt noch gefehlt? Wer weiß. Das Berliner Startup „6 Wunderkinder“ ist durch den wirklich sehr schönen Taskmanager „Wunderlist“ berühmt geworden (sowie die Tatsache, das Ashton Kutcher ins Unternehmen investiert hat). Nun folgt der zweite Streich: Das „Wunderkit“ das als „Software als Service“ jetzt im Betatest läuft, ist ein Hybride aus einem Twitter-ähnlichen Interface mit Timeline (s. Video oben) und einer Aufgaben- und Projektverwaltung – allerdings sehr eingedampft und auf gar keinen Fall mit so etwas ausgefuchstem wie MS Project vergleichbar.

Natürlich ist der Hintergedanke ein sehr Social-Network-mässiger, nämlich: Verwalte auch Deine „privaten“ Projekte auf „soziale“ Art. Im Beispiel oben ist das etwa das Projekt „in Urlaub fahren“, wo ich nun z. B. meiner Partnerin via Wunderkit die Aufgabe „Flugtickets kaufen“ zuweisen kann.

Das kann man jetzt doof finden, wenn man möchte. Andererseits: Diejenigen Social-Network-Ideen, die NICHT etwas abbilden, das man im Prinzip auch direkt auf Facebook erledigen könnte, sind derzeit zunehmend rar gesät. Ich kann mir jedenfalls durchaus vorstellen, dass die Idee Kreise zieht.

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Twitter: Das neue Layout ist doof.

Lange hat´s gedauert, aber nachdem Twitter schon zum Jahreswechsel auf einigen Servern sein neues Layout freigeschaltet hat und auch der mobile Client überarbeitet wurde, habe ich jetzt „endlich“ auch auf dem stationären Rechner mit meinem Account Zugriff auf das neue Erscheinungsbild von Twitter.

Ich bin sehr wenig begeistert. Warum man die Marginalleiste und das Fenster mit der Timeline unbedingt rechts-links-mässig vertauschen mußte, ist mir völlig unklar (NB: War es nicht ganz am Anfang schon mal „so rum“???). Jedenfalls bietet diese Anordnung keinerlei Vorteil gegenüber der alten.

Richtig schlimm ist aber etwas, das auch im mobilen Client schon so umgesetzt wurde: In der Timeline stehen jetzt nicht mehr die Accountnamen vorne, sondern die „richtigen Namen“ – vermutlich in einem Anfall falsch verstandenen vorauseilenden Gehorsams gegenüber Facebook und Google+. Twitter allerdings lebte in der Vergangenheit – zumindest aus meiner Sicht – geradezu von den witzigen Accountnamen und der Tatsache, dass diese das einzige waren, woran man einen User direkt in der Timeline identifizieren konnte. Das neue System macht Twitter für mich erstmal unbenutzbar. I am not amused.

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Wie sozial sind Soziale Netzwerke?

TwitterSchöner als Twitterer @sechsdreinuller in seinem Account-Motto kann man es nicht sagen: Soziale Medien drehen sich zu einem nicht geringen Teil um sich selbst.

Sicher: Das berühmte Flugzeug auf dem Hudson River, der Aufstand in Ägypten, jener Twitterer, der unabsichtlich live über die Erschießung von Osama bin Laden berichtet hat – das alles sind Erfolgsgeschichten, die sich insbesondere um den Microbloggingdienst Twitter ranken. Allerdings: Wenn man böse ist, kann man diese Erfolgsgeschichten durchaus vergleichen mit Perlen in einem Misthaufen.

Aber ich bin ja nicht böse. Und sehe es ähnlich, wenn auch nicht ganz so krass wie @sechsdreinuller: Wer Twitter (und natürlich auch Facebook) exzessiv nutzt, wird mit viel Information konfrontiert. Manches davon macht Spaß, unterhält, fordert zur Gegenrede heraus. Aber ganz ehrlich: Oft geht auch einfach nur der Tag vorbei, und man hat sich wieder mal erfolgreich davor gedrückt, mit seiner Zeit irgendetwas sinnvolles anzufangen.

Es gibt hinreichend viele schöne Theorien (siehe Duncan J. Watts, Barabasi, Granovetter, Malcolm Gladwell und andere…), die erklären, wie und warum soziale Netzwerke so toll funktionieren. Aber ist es nicht interessant zu sehen, dass quasi sämtliche Veränderungen, die Facebook innerhalb der letzten Monate an seiner Plattform vorgenommen hat, das Ziel haben, Informationen besser zu filtern, zum User nur noch das Relevante durchzulassen, und Irrelevantes wegzufiltern? Ist es nicht spannend, dass Google+ von seinem ganzen Ansatz her darauf ausgelegt, die Verbreitung von Informationen granularer zu machen, genauer zu steuern, wer eine Information bekommt und wer nicht? Eben.

Schauen wir uns an dieser Stelle doch mal das „echte“ soziale Leben an, so wie es seit Jahrtausenden stattfindet: Man hat Familie, man hat ein paar enge Freunde und ein paar mehr eher weitläufige Bekannte. Je enger die Bindung, desto mehr kommuniziert(e) man mit den betreffenden Menschen – ganz einfach deshalb, weil man ihnen räumlich auch näher war und es keine Möglichkeiten gab, räumliche Distanz in Echtzeit zu überbrücken. Man könnte also die Behauptung aufstellen, dass in den letzten Jahrtausenden soziale Kontakte eine Funktion von räumlicher Nähe waren.

Das war sicher nicht immer gut, denn es funktioniert ja in beide Richtungen: Wenn jemand mir räumlich näher ist, ist er mir tendenziell auch sozial näher – aber wenn dieser jemand dann wegzieht, muß ich mehr oder weniger auch den Kontakt herunterfahren, ob ich will oder nicht. Wer einmal in Zeiten der Briefpost in eine jungen Dame in, sagen wir mal, Irland verknallt war, der weiß, was ich an dieser Stelle meine: Das Unterfangen ist ganz schön schwierig, wenn ein Brief für die einfache Strecke ca. drei Wochen braucht.

Insofern leben wir heute in einer schöneren Welt, denn räumliche Distanz hat als Determinante der Tiefe einer Beziehung ausgedient. Es ist natürlich toll, mit Leuten in Kontakt bleiben zu können, auch wenn die plötzlich in Berlin, Glasgow oder San Diego arbeiten. Es gibt dabei nur zwei Probleme:

  1. Über die Zeit steigt die Anzahl der Kontakte, die auf diese Art „gemanagt“ werden müssen
  2. Wenn die Distanz als „Filter“-Kriterium wegfällt – nach welchen Kriterien filtern wir dann?

Die Technik wird uns da nur bedingt weiterhelfen – die mehr oder weniger sinnlosen Versuche von Facebook, mit Hilfe von Automatismen zu einer „besseren“ Timeline zu kommen, sprechen da eine deutliche Sprache. Nein – wir müssen schon selber schauen, wie wir mit dem Problem klarkommen. Das Doofe ist nur, dass unser Gehirn für soziale Netze nicht gebaut scheint. Denn:

  • Wir sind von Natur aus neugierig. In der „richtigen“ Welt ist das kein Problem, weil die hier maximal mögliche Informationsdichte genau die ist, die wir auch verarbeiten können. Die Sozialnetze aber überfüttern uns, und wir finden´s auch noch toll – weil wir nicht anders können.
  • Wir leben von Lob, Wertschätzung und Anerkennung, das wissen wir nicht erst seit der Maslow´schen Bedürfnispyramide. Und was geben uns die Sozialnetze? „Likes“, „Favs“, „Retweets“ – also genau das. Auch hier können wir nicht anders, als immer weiter auf diese billigen Belohnungsmechanismen zu setzen. Obwohl es eigentlich nichts bringt.

Im Jahr 5 nach Twitter und Facebook stehen wir an einem interessanten Wendepunkt. Die Sozialen Netze – jedenfalls Facebook – sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Diejenigen, die den meisten Nutzen daraus ziehen (nämlich die „Heavy User“), haben sicher auch am meisten mit den Nachteilen zu kämpfen. Das geht soweit, dass derjenige, der wirklich in allen relevanten Netzen auf Ballhöhe bleiben will, den ganzen Tag über eigentlich nichts anderes zu tun braucht. Und wofür? Um auf Ballhöhe zu sein, also: L´Art pour l´Art. Ich bin gespannt, wie sich die Dinge von hier aus weiter entwickeln, und ob es vor allem wirklich nochmal jemandem gelingt, den Müll aus unser aller Timelines zu fischen. Dann, davon bin ich überzeugt, haben die Sozialnetze eine zweite Chance, wirklich sozial zu werden.

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