Facebook Newswire: Das neue Nachrichten-Medium?

Facebook NewswireEigentlich ist das, was Facebook mit seinem „Facebook Newswire“ gerade macht, einfach nur konsequent: Inhalte mit Nachrichtenwert, die „sowieso“ von Nutzern auf der Seite gepostet werden, bekommen über diesen Weg den Zugang zu einem wesentlich größeren Publikum. „Kleiner“ Nebeneffekt: Es ist ein weiterer Nagel im Sarg von Nachrichtenmedien. Und das hat folgende Gründe:

  1. Durch die schiere Masse seiner User und die schiere Größenordung seiner Verbreitung hat Facebook fast automatisch Zugriff auf alle Inhalte, die potenziellen Nachrichtenwert haben.
  2. Die immer weiter fortschreitende mobile Nutzung des Dienstes sorgt zusätzlich dafür, dass von so gut wie allen Ereignissen Bilder oder Videos vorhanden sind
  3. Die ausgefeilten Mechanismen zur Einschätzung des User-Interesses in Verbinung mit dem Aufenthaltsort des Users sowie seiner im Profil hinterlegten Interessen erlauben eine genaue Steuerung im Hinblick darauf, wer welche „Nachrichten“ zu sehen bekommt.
  4. Die Möglichkeit, die Beiträge zu liken, zu teilen und sie einzubetten sorgt für weiter verbesserte Filter und nochmal zusätzliche Verbreitung.
  5. Facebook holt seine User dort ab, wo sie eh schon sind – nämlich auf Facebook. Im Unterschied zu den Beiträgen „echter“ Nachrichten-Sites wie z. B. Spiegel online muß ich nirgends mehr klicken  und auf keine andere Seite mehr gehen.

Interessant finde ich auch (s. Beispiel), dass Facebook für den neuen Dienst offenbar ein Team im Einsatz hat, dass sich bemüht, den „Roh-Content“, in meinem Beispielfall das Video aus der Überwachungskamera, quasi noch nachrichtentechnisch zu „veredeln“, indem man in den Beitrag die Facts zum jeweiligen Ereignis hineinschreibt. In meinem Beispiel ist das etwa die Zahl der Opfer sowie die Quelle, von der die Opferzahl kommt. Das ist – leider, aus Sicht der klassischen Medien – schon ziemlich gut gemacht und man wird sich als Spiegel Online oder ähnliches Medium dringend eine Strategie dagegen überlegen müssen.

 

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„Sozialer Journalismus“ – ein neuer Beruf?

Jeff Jarvis
Jeff Jarvis – Foto: Eirik Solheim

In seinem immer sehr lesenswerten Blog „Buzzmachine.com“ hat der US-Journalist und Hochschullehrer Jeff Jarvis über eine Initiative seiner Hochschule Berichtet. Die „City University of New York“ will auf Vorschlag von Jarvis ein Curriculum namens „Social Journalism“, also zu deutsch etwa „sozialer Journalismus“ einführen.

Was aber soll das sein? Jarvis schreibt in seinem Antrag,

We see the need and opportunity to meet journalism’s mission of informing communities in new ways using the new tools afforded by the internet, resetting the profession’s relationship with the public and shifting its focus from content toward service.

Eine „Verlagerung des Schwerpunkts von Inhalt zu Service“ – aha? Heißt das etwa, wir berichten nicht mehr nur über die Eierpreise auf dem örtlichen Marktplatz, wir verkaufen jetzt auch die Eier?

Nicht ganz. Der scheinbar künstliche Widerspruch zwischen „Inhalt“ und „Dienstleistung“ (wir Journalisten sehen uns schließlich schon immer als Dienstleister) läßt sich relativ leicht auflösen.

Wenn ich ihn richtig verstehe, geht es Jarvis zwar durchaus um einen „tieferen“ Leserservice, als klassische Tageszeitungen ihn heute anbieten. Er meint, das „da sein für den Leser“ lasse sich auch über das Erstellen eines Berichts über gewisse Missstände hinaus noch weiter denken, etwa dahin, dass man etwa Diskussionsveranstaltungen organisiert (was es ja heute auch schon gibt) oder ähnliches.

Aber der Kern des Gedankens dreht sich um etwas anders. Nämlich um die von vielen klassichen Medien immer noch unterbewertete Tatsache, dass im Internet und in den sozialen Netzwerken sehr viel Inhalt „schon da ist“. Wenn etwa in einer dörflichen Gemeinde Jahrmarkt, Kirchweih oder Dorffest ist, dann findet sich darüber garantiert etwas auf Facebook. Wer unter den Lesern nicht bei Facebook ist, hat jedoch derzeit Pech gehabt, denn er sieht diesen Inhalt nicht.

Und natürlich: Vieles (bis das meiste), was „normale Leute“ online so posten, genügt natürlich keinerlei journalistischen Qualitätsansprüchen. Vulgo: Man weiß nicht, ob´s stimmt. Von handwerklichen Fragen wie dem korrekten Aufbau eines Textes oder auch nur dem Vorhandensein von Bildzeilen mal ganz abgesehen.

Insofern kann ich mir durchaus vorstellen, dass Journalisten ein neues und wichtiges Tätigkeitsfeld im so genannten kuratieren von Inhalten finden könnten. Auch neue Themen, sogar ganze Themenfelder können sich so erschließen. Und nicht zuletzt schärft ein genauerer Blick auf das im Netz bereits vorhandene sicherlich das Gespür, wenn nicht sogar das Wissen um die tatsächlichen Bedürfnisse des Lesers.

Und Insofern sage ich: Social Journalism ist möglicherweise eine richtig gute Sache – besser jedenfalls (zumindest auf den ersten Blick) als so viele eierlegende-wollmilchsau-Studiengänge an deutschen Hochschulen, in denen versucht wird, den medizinisch gebildeten Journalismus-Juristen mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund zu züchten – was ab und zu mal leider schief geht. Besser ist es da schon aus meiner Sicht, mein bleibt  – wie die CUNY – erst mal beim inhaltlichen und entwickelt dieses Aufgabengebiet aber Richtung Zukunft weiter.

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Apollo London: Das Versagen der öffentlich-rechtlichen

Das nennt man wohl „Breaking News“ heutzutage: In einem Londoner Theater stürzt gegen 20:15 Ortszeit (21:15 in Deutschland) die Decke ein, nach aktuellem Stand gibt es zwischen 20-40 Verletzte, möglicherweise Tote.

Wer die aktuelle Nachrichtenlage wissen möchte, sollte allerdings englisch können: CNN, BBC, Guardian – sie alle sind auf aktuellem Stand.

Die deutsche Online-Presse dagegen wurde weitgehend auf dem falschen Fuß erwischt – die Praktikanten haben schließlich schon längst Feierabend, auch bei den Leitmedien tut nur noch die Notbesetzung Dienst. Deshalb gibt es bei Spiegel, Focus und Co nur News-Schnipsel, die den Fakten hinterherhinken. Selbst die Welt hat nur eine kurze Meldung – obwohl Bild.de, immerhin ebenfalls aus dem Hause Springer, bereits mit dem Thema aufmacht.

Ein Armutszeugnis ist jedoch mal wieder die Leistung, die die öffentlich-rechtlichen Sender bringen. Ol´ Blue Eyes Klaus Kleber ist mit dem heute-journal auf Sendung. Das Ereignis ist immerhin schon eine Stunde her, als Kleber zum Ende der Sendung etwas erzählt von einem „Vorfall“ im Apollo-Theater, bei dem möglicherweise ein Teil der Ränge eingestürzt sei.

Nein! Nicht die Ränge! Das Dach!

Viele andere Medien wissen das bereits, Twitter und Facebook „wissen“ das natürlich sowieso, dort gibt es auch O-Töne.

Nun ist natürlich klar, dass die Geschwindigkeit von Twitter und Facebook in der Natur der Sache liegt. Die Aufgabe der Presse wäre es jetzt aus meiner Sicht, dieses Material bitteschön zu sichten und zu prüfen – und mir dasjenige daraus zu präsentieren, das sich verifizieren läßt.

Aber: Nichts davon. Man arbeitet beim heute journal offenbar immer noch wie vor 25 Jahren, als es noch kein Internet gab. Ich verstehe beim besten Willen nicht, warum wir uns in Deutschland ein derartig schweineteures System öffentlich-rechtlicher Medien leisten – wenn ich im „Ernstfall“ zur BBC umschalten muß, um zu erfahren, was wirklich los ist.

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Die Paywall der Rhein-Zeitung: Ohne Phantasie

rheinzeitungSeit gestern ist es soweit: Die Koblenzer  „Rhein-Zeitung“, einer der Internet-Pioniere in der Branche, hat jetzt eine Paywall.

Genau gesagt: eine Paywall mit Löchern drin. Denn 10 Artikel darf weiterhin jeder pro Monat kostenlos lesen, auch die so genannten „Mantel-Inhalte“, also alles Überregionale, bleiben frei zugänglich, ebenso alles, was bei Facebook oder Twitter gepostet wird. Im Endeffekt steht die Mauer also nur vor den lokalen Inhalten. Das ist, wenn man es genau betrachtet, fast genau das gleiche Modell, wie es auch die „New York Times“ gewählt hat. Auch dort ist nach 10 Artikeln erstmal Schluß.

Dieses Modell hat aus meiner Sicht zwei ganz klare Sollbruchstellen.

  1. Wer sagt, dass der elfte Artikel, den ich gerne lesen möchte, ausgerechnet so hammermässig spannend ist, dass ich für genau diesen Artikel über die „Paywall“ springe? In der aktuellen Online-Ausgabe der Rheinzeitung sind im Lokalteil unter anderem auch Themen wie „Foto-Freunde präsentieren Kräuter-Impressionen im Stöffel-Park“ (???) im kostenpflichtigen Bereich. Sowas lese ich vielleicht im Vorbeigehen, wenn ich gerade nichts besseres zu tun habe – aber zum Portemonnaie greife ich hier nicht. Bei anderen Geschichten – wie etwa der Seilbahn in Koblenz oder der Sache mit Amazon und den Tarifverträgen für die Mitarbeiter vielleicht schon eher. Ich frage mich deshalb, ob nich ein Paywall-Modell besser wäre, das auf irgendeine Weise den „Nachrichtenwert“ (ich weiß schon, den kann man nicht objektiv messen) einer Geschichte berücksichtigt.
  2. Die Struktur einer deutschen Regionalzeitung ist grundlegend anders als die eines Weltblattes wie der „New York Times“. Zum Beispiel hängt das Geschäft eines regionalen Verlages immer in hohem Maße (print wie online) an den Anzeigenrubriken. Die aber kann man online gar nicht absperren, weil es in allen klassischen Rubriken (mit Ausnahme der Todesanzeigen) viel, auch viel kostenlose, Online-Konkurrenz gibt. In einem weiteren wichtigen Feld, dem lokalen Sport, verhält es sich genauso. Ich frage mich deshalb, ob eine so löchrige, so „kleine“ Paywall wie die in Koblenz nicht doch eher symbolischen Charakter hat. Ein richtig schlaues, richtig neues Modell kann ich jedenfalls nicht darin erkennen.

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Hübsche Idee: Zeit online mit Bookmarks der Redaktion

zeit_bookmarksEine schöne Idee habe ich heute auf der Website der Zeit im „Digital-Ressort“ gefunden. Mitten im Strom der Nachrichten steht da eine Box mit der Überschrift „Das liest das Digital-Ressort“. In der Box laufen dann als vertikaler Ticker Anreißer der betreffenden Seiten oder Artikel durch.

Ich finde, das ergänzt das redaktionelle Angebot sehr schön, verbreitert es gewissermaßen und hebt es auf eine persönlichere Ebene. Natürlich wird damit ein Stück weit meine Neugierde angesprochen, denn mich interessiert ja schon irgendwie, was die schlauen Leute von der „Zeit“ selbst so lesen.

allthingsdEin ähnliches Element hat seit geraumer Zeit schon das von mir sehr geschätzte „Allthingsd“ auf der Homepage, also der Digital-Ableger der Washington Post. Hier findet man unter der Überschrift „Must-Reads“ immer eine sehr gute Auswahl von Artikeln, die auf anderen Websites veröffentlicht wurden.

Bei solchen Sachen neigen klassische Journalisten ja immer sehr leicht zu Panik-Attacken, weil sie denken, jeder Link nach außen sei ein Armutszeugnis für die eigene Site. Ich sehe das nicht so, ganz im Gegenteil: Oft sind die „Must-Reads“ das einzige, was ich bei „Allthingsd“ lese – mit anderen Worten: Gäbe es sie nicht, würde ich die Seite überhaupt nicht besuchen.

Ich denke also, solche ganz bewußt gesetzten und sorgfältig ausgewählten Links nach außen sind eine Aufwertung für jedes gute Online-Portal. Nicht zuletzt entsprechen sie der grundlegenden Natur des Internets.

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Die deutsche „Huffington Post“ startet

Bildschirmfoto 2013-10-10 um 11.23.28Nach all der Häme, die sich vor allem in den Sozialmedien in den letzten Tagen über das Projekt „deutsche Huffington Post“ ergossen hat (Zeter! Boris Becker macht mit! Mordio! Cherno Jobatey ist dabei!!!), geht es seit heute um die Wurst. Vor einer guten Stunde ist die deutsche Ausgabe der „Huffington Post“ offiziell gestartet.

Der Eindruck, den die Website auf mich macht, ist noch sehr gemischt. Das beginnt beim Aufmacher, der sehr nach Bildzeitung klingt und den ich journalistisch nicht nachvollziehen kann (die Meldung, dass angeblich jeder dritte Deutsche Neuwahlen will, habe ich noch nirgends anders gelesen, was ich aber erwarten würde, wenn das eine große, ernstzunehmende Studie wäre). Und so geht es auf der Seite weiter: Aha, ein Dreamliner hat mal wieder umkehren müssen, weil die Toiletten defekt waren. Soso, die „deutschen müssen ihre Körpersprache ändern“ (???). Zwischen diesen Kuriositäten offensichtliche Spinoffs der amerikansichen Huffpost-Mutter („Reportage aus dem Todestrakt“) und die normale Nachrichtenkost, die ich heute auch auf allen anderen großen Nachrichtensites finde (der berühmte Bischofssitz in Limburg, der Machtpoker bei den Grünen).

Dies alles findet bei der Huffpost in der mittleren von drei Content-Spalten statt – und das brauche ich so eigentlich nicht, zumal die Artikel nicht besonders tief gehen, jedenfalls nicht so tief wie die Meldungen bei der Konkurrenz.

Interessant ist dagegen die linke Spalte: hier findet man in regelmässigem HTML5-Wechsel die Beiträge der „Gastautoren“ von Boris Becker bis Nicolas Berggruen und Ursula von der Leyen. Es liegt in der Natur der Sache, dass das zum großen Teil natürlich keine aktuellen Beiträge sind, sondern eher Aufsätze im Stil eines Leitartikels. Der Themenmix ist durchaus interessant, er reicht von Gedanken über die Zukunft der Arbeitswelt über das für und wider der Todesstrafe bis hin zu Ausführungen über das sichere Speichern von Daten in der Cloud.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich diese Spalte zu etwas orignellem, einzigartigem entwickelt. Momentan aber kommt mir das alles noch relativ beliebig vor. Man muß also mal abwarten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist mir die Huffington Post insgesamt noch zu konventionell und noch nicht wirklich Fisch oder Fleisch.

Gar nicht gefällt mir hingegen die mobile Website, die auf der Homepage ausschließlich die teils sehr nichtssagenden Schlagzeilen anbietet. Hier müssen die Verantwortlichen dringend nochmal ran und entweder bessere Überschriften machen oder wenigstens einen kurzen Textvorspann zusätzlich anbieten.

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Tesla – New York Times: 1:1

Tesla Grand Opening in Menlo Park - Tesla Chai...

Eine Geschichte wie diese wäre noch vor 10 Jahren praktisch unmöglich gewesen: Da schreibt ein Journalist der hoch angesehenen New York Times einen Bericht über das Elektro-Auto Tesla „Model S“. Sein Fazit: Bei kälteren Temperaturen leere sich der Akku des Gefährts praktisch über Nacht, das Laden dauere stundenlang und außerdem komme man mit dem Auto nicht so weit, wie es die Bordelektronik anzeigt. Das Ganze gipfelt in einem Bild des Tesla auf dem Abschleppwagen, weil unterwegs der Akku schlappgemacht habe.

So weit, so schlecht. Normalerweise hätte die Geschichte hier geendet. Tesla (und deren berühmt-berüchtigter Chef Elon Musk, im Bild oben) hätten jetzt bei der „Times“ anrufen können, etwaige Anzeigenaufträge stornieren und vielleicht einen Leserbrief schreiben können. Interessiert hätte das aber wohl kaum jemanden.

Doch wir leben im Jahre 2013, und da sind Firmen längst nicht mehr so wehrlos gegen mißliebige Medienberichte wie früher. Also griff Musk höchstselbst in die Tasten und schilderte fürs firmeneigene Blog unter dem Titel „A most peculiar test drive“ („eine höchst seltsame Testfahrt“) seine (Teslas) Sicht der Dinge: Man habe sämtliche Fahrzeugdaten während der gesamten Testfahrt des Reporters mitgeloggt, verrät er den erstaunten Lesern.

So könne man etwa nachweisen, dass der Reporter viel schneller (und damit verbrauchsintensiver) gefahren sei, als er es in seinem Artikel geschrieben hatte. Außerdem habe er den Akku zu kurz geladen und sei wieder losgefahren, obwohl die Reichweiten-Anzeige ganz klar gezeigt hätte, dass für die geplante Strecke zu wenig Strom im Akku war. Das Ganze gipfelt in der Behauptung (und der Abbildung einer Grafik zum „Beweis“), der Reporter sei sogar eine halbe Stunde lang auf einem Parkplatz im Kreis gefahren, um mutwillig den Akku zu leeren. Das sind wahrhaft deftige Vorwürfe, die jeden ehrbaren Journalisten auf der Welt schwer ins Grübeln bringen müssen und die eine fristlose Kündigung wert wären, wenn sie denn stimmten.

Aber die Geschichte geht noch weiter: Jetzt hat sich auch der Times-Journalist zu Wort gemeldet – ebenfalls in einem Blogeintrag. Und, o Wunder, natürlich hat er für alle Musk-Vorwürfe absolut einleuchtende Erklärungen.

Wir lernen hier zweierlei:

  1. Es herrscht Waffengleichheit zwischen den „ehemaligen Massenmedien“ und den Firmen, über die sie berichten (bei Privatleuten ist das noch nicht so, jedenfalls nicht in Deutschland). Die ehemaligen Massenmedien müssen sich darauf einstellen, dass ihre Berichte nicht länger unwidersprochen bleiben und sie nicht länger zwangsläufig am längeren Hebel sitzen. Im Besten Falle heißt das nichts anderes als: Sie müssen noch mehr darauf achten, ihren Job ordentlich zu machen.

  2. Die Waffengleichheit führt dazu, dass ausgebildete Journalisten, die (zumindest sollte das so sein) ihren Job gelernt haben und einen gewissen Ehrenkodex befolgen, auf absoluter Augenhöhe sprechen mit Leuten, auf die beides nicht zwingend zutrifft. Unabhängig davon, wer im vorliegenden Falle recht hat: Diese Konstellation führt im Zweifel dazu, dass das geneigte Publikum noch weniger Chancen hat als vorher, zwischen wahr und falsch zu unterscheiden. Und das ist gefährlich.

 

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„Nextdoor“: Social Nachbarschaft

screenshot_nextdoorDie Welt der Social Media wird immer lustiger: Mit „Nextdoor“ gibt es jetzt eine Plattform, die noch viel tiefer in unseren Alltag eindringen möchte als Facebook oder Twitter. Denn jetzt sollen wir uns auch noch mit unseren Nachbarn elektronisch vernetzen.

Mal abgesehen davon, dass einer der Kernsätze der Netzwerktheorie sehr dagegen spricht, dass das funktioneren kann. Denn: Meine Nachbarn kenne ich ja bereits, zumindest ich persönlich sehe sie auch fast jeden Tag (das mag in amerikanischen Suburbs allerdings anders sein) und weiß eh meistens nicht, was ich während der gemeinsamen Aufzugsfahrt eigentlich reden soll.

Die Netzwerktheorie spricht hier von so genannten „strong links“ – also starke soziale Verbindungen. Der Begriff steht zum einen für Leute, mit denen ich sehr intensiv zu tun habe, wie etwa Familie und Partner. Er benennt aber auch Leute, die ich bereits IRL so häufig treffe, dass ich jeglichen notwendigen Informationsaustausch nebenbei locker erledigen kann.

Aber wie gesagt: Davon mal ganz abgesehen. Nach einem Insiderbericht von Jeff Jarvis macht die Site noch mehr Fehler. So bekommen User etwa zu hören, sie hätten „zu wenige Nachbarn“ – klar: Ein soziales Netzwerk braucht immer eine gewisse „kritische Masse“ , um zu funktionieren. Mit anderen Worten: Eine Grillparty mit drei Leuten ist keine Grillparty, denn bei drei Leuten kommt keine Stimmung auf. Damit ist der Hunger der Plattform nach „mehr Nachbarn“ verständlich – er nützt nur dem User nichts, der nun zwanghaft wildfremde Leute zu „Nachbarn“ erklären muß, nur, um mitspielen zu dürfen.

So ist also zu vermuten, dass „nextdoor.com“ sehr bald den Weg alles irdischen gehen wird – und das ist schade.

Das Thema „Nachbarschaft ist nämlich durchaus ein sehr interessantes, jedenfalls aus journalistischer Sicht: Fachleute nennen es hochtrabend „Das Sublokale“ und meinen damit jenes unmittelbare räumliche Umfeld, in dem wir uns täglich bewegen, das also für uns besonders relevant ist. Und das klassische Tageszeitungen meist nicht abdecken (können), weil das, was hier so los ist, oft schon drei Straßen weiter nicht mehr interessant genug ist.

Weil sublokales also „in Print“ nicht funktioniert, geistert das Thema schon seit Jahren auf allen einschlägigen Visionärs-Konferenzen als neues großes Ding herum. Und tatsächlich: Wenn man sich einmal genauer anschaut, was auf Facebook so gepostet wird (und Instagram ist vielleicht sogar ein besseres Beispiel), dann findet man neben den allgegenwärtigen Katzenfotos tatsächlich viel Inhalt aus der Nachbarschaft. Die spannende Frage ist nur, wie man diesen Inhalt vielleicht besser bündeln und nutzbar machen kann. Vielleicht wäre das in der Tat eine spannende Aufgabe für Zeitungsverlage. Solange die sich jedoch immer automatisch als „Produzenten“ von Inhalt sehen und das aggregieren, sammeln und nutzbar machen als irgendwie unter der Würde ansehen, wird das wohl nichts werden – mit nextdoor.com jedenfalls auch nicht.

(DISCLAIMER: Ich bin hauptberuflich bei einem Zeitungsverlag angestellt. Die hier geäußerte Meinung ist jedoch meine private und nicht die meines Arbeitgebers.)

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Leistungsschutzrecht: Google zeigt Wirkung

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=OvhrC2eWIxw&hd=1]Unter Bergsteigern gibt es eine alte Redensart: „Dem Berg ist es egal, ob ich ihn besteige“. Das bringt jenen Fatalismus zum Ausdruck, mit dem selbst Spitzenleute letztlich akzeptieren (müssen), dass bei allem Können immer ein Restrisiko bleibt, weil der Berg einfach immer größer ist als der Mensch.

Was das mit der aktuellen Diskussion um das Leistungsschutzrecht für deutsche Verlage zu tun hat?

Eine Menge.

Aber der Reihe nach: Seit vergangene Woche wird ein geplantes Gesetz sehr breit diskutiert, von dem der Laie zuvor vermutlich noch nie gehört hatte. Seit einiger Zeit schon versuchen deutsche Zeitungsverlage durchzusetzen, dass sie an den Erlösen beteilgt werden, die Google dadurch erwirtschaftet, dass es in seinen Suchergebnissen kurze Anreißer von Pressetexten veröffentlicht und dazu Werbung anzeigt. Das ist ein Thema, das für den berühmten Otto Normalverbraucher mutmaßlich keine lebensverändernde Wirkung haben wird – gleich, wie die Diskussion am Ende ausgeht. Bis vorige Woche konnte man der Meinung sein: OK, das werden Verlage, Gesetzgeber und Google unter sich ausmachen.

Wobei dem Suchgiganten Google hier natürlich die Rolle des Berges in dem obigen Spruch zukommt. Ich selbst hätte erwartet, dass der Quasi-Monopolist aus Kalifornien das Ganze mit einer gewissen Gleichmut an sich vorüberziehen lässt – denn auch für Google ist das Thema sicher nicht kriegsentscheidend.

Dachte ich.

Doch dann begann Google mit einem ziemlichen Aufstand: Sogar auf der Homepage der Suchmaschine versuchte man, mit Hilfe eines Youtube-Videos für den eigenen Standpunkt zu werben und bei den geneigten Usern für eine „Initiative gegen das Leistungsschutzrecht“ zu agitieren. Pikant war dabei übrigens am Rande, dass hier gerade der eh als Daten-Krake verschrieene Suchmaschinenkonzern fleißig Userdaten sammeln wollte, um „über das Thema zu informieren“.

Unter dem pseudo-dramatischen Titel „verteidige Dein Netz“ hängt Google das Leistungsschutzrecht zumindest sprachlich sehr hoch auf. Das wirkte zumindest auf mich etwas, na ja, hysterisch. Und ob Google mit einer derartig über-dramatisierten und deutlichst gefärbten Stellungnahme zur Versachlichung der Diskussion beiträgt, ist doch sehr die Frage.

Wie auch immer die Sache mit dem Leistungsschutzrecht am Ende ausgeht: Ich finde es schon mal äußerst spannend, dass es dem Berg Google offenbar so gar nicht egal ist, wer ihn besteigt.

(DISCLAIMER: Ich bin hauptberuflich bei einem Zeitungsverlag angestellt. Die hier dargestellte Meinung ist jedoch meine persönliche und nicht notwendigerweise diejenige meines Arbeitgebers.)

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Münchner Medientage: warum man nicht mehr hingehen muss

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=sV8N3B32AxE]Früher waren die Münchner Medientage, die jedes Jahr Ende Oktober stattfinden, für mich ein Fixpunkt in meinem Terminkalender. Im Kongresszentrum an der Münchner Messe in Riem gab es immer interessante Vorträge zu hören, und wer nicht da war, der hatte hinterher etwas verpasst. Aber das ist jetzt vorbei.
Und zwar aus zwei Gründen: erstens ist das, was von den wichtigen der Medienbranche ihr so erzählt wird, inhaltlich nicht gerade auf der Höhe der Zeit. Dazu nur ein Beispiel: Telekom Chef René Obermann forderte diese Woche doch tatsächlich, dass Google für die Nutzung der Telekom Netze bezahlen sollte. Absurder, gestriger geht es nicht. Und ich muss wirklich nicht auch noch Geld dafür bezahlen und einen Tag Arbeitszeit opfern, um mir Leute anzuhören, die das Internet, die Social Media noch immer nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen.
Der zweite Grund ist ganz pragmatisch: ich kann mir die Medientage auch so anschauen. Ohne hinzugehen. Dazu genügt es, auf YouTube einfach mal den Suchbegriff Münchner Medientage einzugeben – und man kann sich viele Panels anschauen. Ob das will, siehe oben, ist eine andere Frage.
Noch viel schöner ist es, während der Medientage bei Twitter den Hashtag #mtm12 einzugeben – und schon kann man quasi live verfolgen, was wer in welcher Podiumsdiskussion gerade sagt. Das hat sogar noch einen Mehrwert gegenüber der persönlichen Anwesenheit, denn physisch kann ich ja immer nur gleichzeitig in einem Saal sein, auf Twitter dagegen bin ich überall.
Ich würde mal interessieren, ob das andere Leute auch zu sehen. Denn dann haben die Medientage ein potentielles Problem. Es würde mich in diesem Fall wiederum nicht wundern, wenn man anfangen würde, live twittern oder YouTube Videos verbieten zu wollen. Das würde in die alte Denke passen. Aber letztlich nichts helfen.

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