Apollo London: Das Versagen der öffentlich-rechtlichen

Das nennt man wohl „Breaking News“ heutzutage: In einem Londoner Theater stürzt gegen 20:15 Ortszeit (21:15 in Deutschland) die Decke ein, nach aktuellem Stand gibt es zwischen 20-40 Verletzte, möglicherweise Tote.

Wer die aktuelle Nachrichtenlage wissen möchte, sollte allerdings englisch können: CNN, BBC, Guardian – sie alle sind auf aktuellem Stand.

Die deutsche Online-Presse dagegen wurde weitgehend auf dem falschen Fuß erwischt – die Praktikanten haben schließlich schon längst Feierabend, auch bei den Leitmedien tut nur noch die Notbesetzung Dienst. Deshalb gibt es bei Spiegel, Focus und Co nur News-Schnipsel, die den Fakten hinterherhinken. Selbst die Welt hat nur eine kurze Meldung – obwohl Bild.de, immerhin ebenfalls aus dem Hause Springer, bereits mit dem Thema aufmacht.

Ein Armutszeugnis ist jedoch mal wieder die Leistung, die die öffentlich-rechtlichen Sender bringen. Ol´ Blue Eyes Klaus Kleber ist mit dem heute-journal auf Sendung. Das Ereignis ist immerhin schon eine Stunde her, als Kleber zum Ende der Sendung etwas erzählt von einem „Vorfall“ im Apollo-Theater, bei dem möglicherweise ein Teil der Ränge eingestürzt sei.

Nein! Nicht die Ränge! Das Dach!

Viele andere Medien wissen das bereits, Twitter und Facebook „wissen“ das natürlich sowieso, dort gibt es auch O-Töne.

Nun ist natürlich klar, dass die Geschwindigkeit von Twitter und Facebook in der Natur der Sache liegt. Die Aufgabe der Presse wäre es jetzt aus meiner Sicht, dieses Material bitteschön zu sichten und zu prüfen – und mir dasjenige daraus zu präsentieren, das sich verifizieren läßt.

Aber: Nichts davon. Man arbeitet beim heute journal offenbar immer noch wie vor 25 Jahren, als es noch kein Internet gab. Ich verstehe beim besten Willen nicht, warum wir uns in Deutschland ein derartig schweineteures System öffentlich-rechtlicher Medien leisten – wenn ich im „Ernstfall“ zur BBC umschalten muß, um zu erfahren, was wirklich los ist.

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Die Elefantenrunde und die Social Media

Gestern abend war ja Elefantenrunde, als guter Bürger habe ich interessiert zugehört. Neben der äußerst interessanten Diskussion über die aktuellen Pädophilie-Vorwürfe bei den Grünen (zu denen auch die politischen Gegner meinten, sowas sei kein Wahlkampfthema), bin ich an einer Stelle wirklich aus dem Stuhl gefallen: Da meinte Moderatorin Bettina Schausen, man habe „mal auf Twitter und Facebook die Zuschauer gebeten, Fragen an die Politiker zu stellen.“ Diese Fragen würde man nun im Laufe der Sendung vortragen.

Hallo?

Da hat wirklich mal wieder jemand (vermutlich nicht nur Frau Schausten, sondern auch die Redaktion, die hinter der Sendung steht) überhaupt nichts verstanden. Soziale Medien sind nicht (im Unterschied etwa zu Telefon und Postkarte) reine „Zuführungs-Kanäle“, auf denen der brave Bürger den Massenmedien seine Meinung mitteilt, die diese dann gnädigst verbreiten. Es sind eigene Massenmedien, die aus sich selbst heraus Massenkommunikation ermöglichen.

Oder, etwas weniger hochtrabend formuliert: Wenn ich Jürgen Trittin eine Frage stellen will, muß ich nicht warten, bis Bettina Schausten das (vielleicht) in ihrer Sendung für mich macht. Ich kann zu Twitter gehen (Trittin ist hier sehr aktiv) und entweder öffentlich oder sogar vertraulich via DM („Direct Message“) loswerden, was ich sagen möchte. UND, im Unterschied zum Fernsehen kann Jürgen Trittin dann sogar MIR antworten, es kann sich ein Dialog entwickeln. Und zwar im Unterschied zum klassischen Massenmedium Fernsehen, wo eben nicht ich selber, sondern nur ein Mittler, der deswegen ja auch „Moderator“ heißt, den Dialog stellvertretend führt.

Wenn man das zuende denkt, dann ist natürlich eines klar: In diesem Sinne verstanden, sind die Sozialmedien nicht nur eine,  sondern DIE Konkurrenz zu klassischen Massenmedien, weil sie zumindest die Chance bieten, ein indirektes Kommunikationsmodell durch ein direktes zu ersetzen. Und deshalb kann man wohl auch ruhig darüber nachdenken, ob das die Fernsehleute tatsächlich nicht verstanden haben. Oder ob sie es nur nicht verstehen wollen.

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GEZ: Kriegen wir ein Fernseh-Ministerium?

Head of ZDF in Mainz, Germany.

In einem sehr lesenswerten Beitrag setzt sich die „WELT“ mit der neuen „Rundfunkgebühr“ auseinander. Das Prinzip ist ja mittlerweile bekannt: Seit 1. Januar zahlen wir nicht mehr dafür, dass wir fernsehen – sondern eigentlich dafür, dass wir wohnen. Sprich: Die Frage, ob jemand Rundfunkgebühr zahlt, hängt nicht mehr wie früher davon ab, ob er oder sie überhaupt ARD oder ZDF (im Bild: Die Zentrale in Mainz) guckt.

Das Prinzip dahinter erinnert natürlich schon sehr stark an die Steuerfinanzierung anderer Aufgaben: Die Frage, ob mit meinen Steuergeldern Spielplätze gebaut werden, hängt nicht davon ab, ob ich Kinder habe.

Deshalb macht der WELT-Autor auch den Vorschlag, die Rundfunkgebühren durch eine Steuerfinanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender zu ersetzen. Denn, nur mal nebenbei bemerkt, deren Jahresetat ist mittlerweile um ein paar Milliarden größer als etwa der des Berliner Familienministeriums.

Dieser Vorschlag hätte für mich noch eine Reihe weiterer Vorteile.

  1. Das jetzige Verfahren ist ein Win-Win-Lose-Modell: Die Sender definieren nach Art eines Wunschzettels, wie viel Geld sie denn gerne hätten (win), die Politik genehemigt das Ganze (win), aber der Verbraucher, der alles bezahlt, hat keinerlei Einfluß auf die Höhe der Gebühr oder die Frage, was damit passiert (Lose).
  2. Wenn man schon anfängt, Journalismus (nämlich den öffentlich-rechtlichen) mit Steuern zu finanzieren, könnte man auch noch den einen oder anderen Schritt weitergehen. Beispielsweise ließe sich dann die Frage vielleicht etwas eleganter lösen, ob und wie es auch im Internet eine Art staatlich finanzierte „Informations-Grundversorgung“ der Bürger geben soll. Bislang machen das ARD und ZDF sehr aufwändig (und jeweils doppelt) in Konkurrenz zu nicht gebührenfinanzierten (also für den Steuerzahler „kostenlosen“) Angeboten privatwirtschaftlich finanzierter Medien
  3. Verwandte Fragen wie etwa das geplante Leistungsschutzrecht für die Inhalte privater Medien könnten im selben Atemzug behandelt werden – zwar wären das dann streng genommen Subventionen, die man an anderer Stelle mühsam abbaut, aber durch die Ansiedlung etwa in einem „Medien-Ministerium“ (das man natürlich sauber konstruieren müsste, allen schon deshalb, um Parallelen mit dem „3. Reich“ vorzubauen) ließe eine bessere Austarierung der Interessen zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Medien zu.
  4. Die Konstruktion böte die Chance, auch „neue“ Medien wie etwa die Social Media ebenfalls staatlich mit zu begleiten. Es besteht derzeit hier ja das Problem, dass alle großen Social Media in den USA ansässig sind und sich damit deutscher Rechtsprechung weitgehend entziehen – die leidige Dauer-Diskussion um den Datenschutz bei Facebook ist die Folge. Da aber andererseits für das Gros der deutschen Bevölkerung heute Facebook quasi ebenso zur informationellen „Grundversorgung“ gehört wie ARD und ZDF, könnte man darüber nachdenken, auch diese Grundversorgung staatlich sicherzustellen. Und zwar auf eine Art, die deutschen Bestimmungen entspricht.

Man sieht also: Eine grundsätzlich veränderte Konstruktion der Finanzierung von ARD und ZDF böte tatsächlich viele Chancen, das Modell der öffentlich-rechtlichen Informationsversorgung, das im Grunde aus der 1. Hälfte des vorigen Jahrhunderts stammt, gründlich zu überarbeiten und auf die Höhe der Zeit zu bringen. Das Ganze hat nur einen Nachteil: Es wird nicht passieren.

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Ina Müller und das Versagen der ARD

[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=pqBhFr7ME7E]Ich bin ein großer Fan von Ina Müller. Ihre Sendungen „Inas Nacht“ finde ich klasse. Nur leider habe ich samstags spät abends meistens weder Zeit noch Lust, sie mir anzusehen. Ich schaue Fernsehen grundsätzlich lieber dann, wenn ich Zeit habe, und nicht dann, wenn etwas bestimmtes im Programmschema steht.
Bei Ina Müller ist das allerdings schwierig: in ihrer Sendung wird nicht nur getalkt, sondern auch gesungen. Die Tatsache, dass die Gäste meistens gemeinsam mit der Gastgeberin irgend einen Klassiker der Popmusik anstimmen, gehört zum Alleinstellungsmerkmal der Sendung. Nur leider findet sich dieses Alleinstellungsmerkmal in der Mediathek der ARD nicht wieder: dort ist die Sendung um die gesungenen Parts beschnitten. Man kann sich lediglich die Inseln des Gesprächs dazwischen anschauen.
Über die Gründe kann ich nur spekulieren. Ich vermute, dass der ARD die Rechte für die Aufführung der Musik zu teuer waren und man deshalb gesagt hat: „o.k., dann schneiden wir es halt raus“. Nur: ich als Gebührenzahler gebe mein Geld ja nicht mehr nur dafür, dass ich meinen Fernseher samstagnachts einschalten kann und Ina Müller sehe, ich gebe mein Geld eigentlich dafür dass ich das Programm der ARD auch Im Internet ansehen kann. Vielleicht gehöre ich in diesem Punkt zur Avantgarde, aber spätestens in ein paar Jahren werden auch ganz normale Menschen so denken.
Und es kommt noch besser: wenn ich zu YouTube gehe und dort den richtigen Suchbegriff eingebe, dann kann ich natürlich auch die gesamte Sendung sehen – vollständig und inklusive der Musik. Nur leider hat das entsprechende Video halt nicht die ARD hochgeladen sondern irgend ein Zuschauer, der es auf dem PC mitgeschnitten hat.
Auch das ist wieder so eine Geschichte, bei der man leider sagen muss: Thema verfehlt, liebe ARD.

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„Gottschalk live“: Die ARD und Social Media

Es gibt also doch intelligentes Leben im öffentlich-rechtlichen Rundfunk – auch wenn man das fast nicht mehr geglaubt hätte. Wie ich darauf komme?

Nun: Heute abend steht ja die erste Sendung von Thomas Gottschalks neuem Format „Gottschalk live“ auf dem Programm. Die Branche ergeht sich schon seit Tagen in einer Mischung aus Vorfreude und vorauseilender Häme. Sicherlich ist die Frage sehr spannend, ob Gottschalk es nochmal packen wird mit einem Format, das es so im deutschen Farbfernsehen noch nie gegeben hat.

Aber mich interessiert noch etwas anderes: Nämlich die Frage, ob die ARD es schafft, mit einem so neuen Format (bei dem Kosten offenbar noch weniger eine Rolle spielen als sonst im öffentlich-rechtlichen Rundfunk) vielleicht auch ein Stückchen in die Zukunft des Fernsehens zu schauen.

Und danach sieht es tatsächlich aus.

Mein stärkstes Indiz dafür ist die Art, wie die ARD (genauer gesagt: Die Produktionsfirma Grundy Light Entertainment) mit Social Media umgeht. Offenbar gibt es in der Gottschalk-Redaktion einen Social Media-Beauftragten. Auf jeden Fall aber gibt es eine sehr schöne Facebook-Seite, die zeigt, dass einige Leute hier einiges verstanden haben.

Zwar steht natürlich der Original-Trailer zur Sendung auf Facebook – aber immerhin von Vimeo und nicht von irgendeinem ARD-Portal. Aber die Hauptsache ist eigentlich: Facebook wird hier genutzt, wie es sich gehört – nämlich für zusätzliche Inhalte. Es gibt einen kleines „Tommy-Countdown“-Eckchen mit kurzen Videos (in der Regel 30 Sekunden), in denen Promis Thomas Gottschalk ihre Glückwünsche für den Start übermitteln. Das ist witzig, das ist hemdsärmelig und überhaupt nicht Ex Kathedra (was man ja von der ARD durchaus befürchten könnte), vor allem aber ist es mediengerecht. In dieselbe Kerbe schlagen diverse „Making-Of“-Videos, darunter zum Beispiel ein Interview mit Klaus, dem Klimatechniker, der gerade das neue Gottschalk-Studio ausbaut.

Alles in allem: Prima gemacht, weiter so, ARD!

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„kressexpress“ und die Zukunft des Fernsehens: Ein Denkfehler.

In einem nett zu lesenden Artikel macht sich heute der „kressexpress“ Gedanken über das Fernsehverhalten der Zukunft. Grob gesagt ist die Vision die: im Jahre 2012 kann der Fernseher via App per Smartphone oder Tablet gesteuert werden – das gibt lustigen Zwist in der Familie, weil die Kinder immer was anderes sehen wollen als die Eltern. Außerdem kann der Fernseher Android, damit sind Apps möglich. Drittens: Das Web-Browsen per Fernseher hat sich nicht durchgesetzt, also wird letztlich doch wieder (fast) genauso geguckt wie heute.

Dahinter liegt ein ziemlich großer Denkfehler. Denn: Der entscheidende Umbruch des Fernsehens wird sich woanders ereignen. Nämlich dort, wo aufgrund der hohen Bandbreite künftiger Internetanbindungen die Notwendigkeit entfällt, Programme zu „streamen“ oder vulgo: TV nach einem festen Programmschema zu machen. Schon heute gibt es zahlreiche Mediathek-Anwendungen, die das Herunterladen von Sendungen erlauben – die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender bieten diese Möglichkeit zwar (noch) nicht, aber das ist kein technisches, sondern ein rein politisches Problem. Der im kress-Beitrag genannte „Herr Maier“ wird also künftig selbst entscheiden, ob er die Tagesschau wirklich um 20 Uhr und den Tatort wirklich sonntags sehen will.

Da liegt in Wahrheit die Spannung, und die Frage stellt sich schon heute: Wie wollen insbesondere die öffentlich-rechtlichen Sender mit diesem Paradigmenwechsel umgehen? Angebote wie Youtube, Qik und vimeo bieten schließlich heute schon „Fernsehen ohne Sendeschema“, in HD, 3D und mit allem Pipapo wie zum Beispiel sogar Untertiteln für Gehörlose.  Bis jetzt sehe ich da bei den Sendern – und vor allem bei deren nicht gerade auf der Höhe der Zeit denkenden Kontrollgremien – keinerlei Ansätze.

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Mediatheken: Fast Fernsehen

Vorsicht, allerseits: Das hier ist ein Frust-Text. Es wird ziemlich schlimm.

Aber der Reihe nach.

ZDF, arte und andere Fernsehsender bieten ja als internette Alternative zum normalen Sendebetrieb so genannte „Mediatheken“ an – also Websites (oder Apps) bei denen man das Programm als Live-Stream oder als digitale Konserve angucken kann.

Eigentlich wäre das nichts weniger als ein Quantensprung und die Zukunft des Fernsehens in einem. In den Zeiten des Breitband-Internets gibt es schließlich keinen vernünftigen Grund mehr, ein Sendeschema zu haben – Dienste wie Maxdome, iTunes oder auch Entertain von der Telekom  machen längst vor, wie das geht. Aber das Konzept erzeugt ein grundsätzliches Problem: Die Sender müßten überlegen, was das eigentlich ist, ein „Sender“ – wenn er gar nichts mehr sendet, sondern nur noch speichert.

Wie so oft hat die aktuell beste Antwort auf diese Frage die britische BBC. Sie lautet, in meinen Worten: „Mache hammergute Nachrichten rund um die Uhr, erzeuge top-Dokus und hochwertigstes Drama. Denke immer daran, dass Du als Anstalt des öffentlichen Rechts nur eine einzige Existenzberechtigung hast: Qualität, Qualität, Qualität“. Doch solche Gedanken sehe ich in Deutschland nicht einmal ansatzweise.

Stattdessen macht man schlechte Mediatheken. Nicht nur, dass die Streams verglichen mit der Konkurrenz, die das Thema beherrscht (=Youtube) lange brauchen, bis sie anlaufen, teilweise (vor allem bei arte) nicht bild-ton-synchron laufen und sich, einmal angehalten, oft nicht an der gleichen Stelle fortsetzen lassen. Viel schwerer wiegt, dass man das Material nur eine einzige Woche lang abrufen kann.

Klar: Das ist eine politische Vorgabe. Aber es ist auch eine sinnlose politische Vorgabe, die nur daher kommt, dass die Politik mal wieder das Web nicht versteht. Bei Youtube findet man schließlich auch die Wetten-Daß-Sendungen der letzten zwei Jahre – nur in schlechterer Qualität. Also: Die Wochenfrist muß weg, sie ist Unsinn. Eine künstliche Schranke, wie sie schon im Falle der mp3-Musik (versus Musik-CDs mit Kopierschutz) nicht funktioniert hat. Und dann müssen die Anstalten dringend überlegen, wie sie all die schönen Gebührenmillionen im Internet-Zeitalter sinnvoll anlegen können.

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Wiesenhof und das Web 2.0

Diese Woche ist etwas Neues passiert – und etwas altgewohntes.

Doch der Reihe nach. Am Mittwoch abend lief in der ARD eine Reportage über die Praktiken bei dem Geflügel-Fabrikanten Wiesenhof (hier anschauen!). Über die journalistische Qualität des Beitrages kann man durchaus streiten (wenige Primärquellen, dafür relativ viel altes Material, sehr deutliche Tendenz in den Texten…), über die Massentierhaltung bei Wiesenhof allerdings natürlich auch.

Schon im Vorfeld der Sendung hatte Wiesenhof versucht, gegen den Beitrag vorzugehen (Novum 1), obwohl im Beitrag auch der Wiesenhof-Seniorchef zu Wort kam (Novum 2).

Aber die echte Neuheit ist: Wiesenhof versicht nicht nur old-media-mässig die Presse mundtot zu machen – Wiesenhof setzt seine eigene Stimme dagegen.

Das beginnt damit, dass die Arbeit der ARD-Journalisten teilweise durch ein Wiesenhof-Videoteam begleitet wurde. Das geht weiter damit, dass Wiesenhof einen eigenen Youtube-Kanal mit seiner Sicht der Dinge betreibt.  In diesem Youtube-Kanal wurde auch unmittelbar auf den ARD-Film reagiert. Und die neue Strategie endet noch lange nicht damit, dass Wiesenhof den Social-Mindmapping-Dienst „mindmeister“ benutzt, um in einer öffentlichen Mindmap namens „Faktencheck“ wiederum seine Sicht der Dinge zum ARD-Beitrag kundzutun.

Nun kann man natürlich sagen: „Wiesenhof ist DAS BÖSE! Die sind gemein zu Hühnern! Die lügen! Und jetzt lügen Sie auch noch bei Youtube und mindmeister!“

Man kann aber auch feststellen: So ungelenk, unbeholfen, ungeschickt das alles auch noch (noch!!!) sein mag: Da beginnt jemand in Ansätzen zu begreifen, wie man heute AUCH Unternehmenskommunikation machen kann.

Beiträge verbieten zu wollen – das war gestern, ist schwer bis unmöglich und gibt eh nur schlechte Presse. Heute ist: Etwas dagegensetzen, die Kanäle der Social Media für die eigene Version der Wahrheit einsetzen. Ich will da jetzt keinen unziemlichen Zusammenhang herstellen, aber die gleiche Vorgehensweise setzen autoritäre Regime in Mittelost schon seit Jahren ein (Nachzulesen etwa in dem brilianten Buch „The Digital Origins of Dictatorship and Democracy“ von Philip N. Howard…) – und die ARD-Journalisten haben nichts wirklich dagegen zu setzen als moralische Entrüstung und hektische Aufgeregtheit.

Die Chance an der ganzen Geschichte liegt darin, dass sich hier wieder ein Stück der Wahrheitsfindung aus den „Medien“ in die „digitale Öffentlichkeit“ verlagert. Das Risiko ist, dass der berühmte „Otto-Normal-Facebooknutzer“ letztendlich wieder mit einer unüberschaubaren Gemengelage im Regen steht, auf die er sich keinen Reim machen kann. Deshalb müssen Journalisten:

  • Endlich zur Kenntnis nehmen, dass Deutungshoheit nicht mehr identisch ist mit dem Besitz einer Druckerpresse oder eines Sendekanals
  • aufhören, über social-media-bewußte Unternehmen die Nase zu rümpfen und sie in die Ecke zu stellen
  • Wege finden, auch in der digitalen Welt Wahrheit sauber von Lüge zu trennen
  • Selbst aktiv mit Social Media umgehen.

So, das war jetzt mal ein etwas längerer und etwas ernsterer Post – aber es mußte sein, Leute.

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Spiegel TV: Die Zukunft des Fernsehens?

So, es ist soweit. Der Spiegel hat jetzt genau das getan, vor dem beispielsweise bayerische Medienwächter seit Jahren Angst haben: Der Spiegel hat seinen eigenen Fernsehsender ins Netz gestellt.

Das Konzept von „spiegel.tv“ ist denkbar einfach: Wer die URL aufruft, bekommt einen fast leeren Bildschirm zu sehen, in dessen Mitte ein Playerfenster prangt. In diesem Player läuft – na ja: Fernsehen halt. Ohne Paus. Ohne, dass man als Zuschauer irgendetwas tun muss außer Chips essen und Bier trinken. 24 Stunden am Tag.

Nach der geltenden Auffassung der bayerischen Landeszentrale für neue Medien ist derlei Fernsehen, muß also reguliert werden. Vor Jahren schon machten sich die Münchner sauber lächerlich, als sie von einem ortsansässigen Zeitungsverlag eine Sendelizenz verlangten, bloß weil der auf seiner Website auch Videos anbot.

Das Angebot von Spiegel TV geht da tatsächlich einen Schritt weiter. Aber wo ist bitte das Problem? Der Regulationsbedarf beim Fernsehen ist schließlich alleine daraus entstanden, dass das terrestrische Frequenzspektrum (und später dasjenige des TV-Kabels und der Satelliten) schmal war und weniger Sender zuließ, als man vielleicht gerne gehabt hätte. Die geringe Zahl der TV-Kanäle war als Phänomen die Folge eines technischen Mangels. Aus diesem Mangel leiten bis heute gewisse Gremien und Institutionen, aber auch die öffentlich-rechtlichen Sender selbst mindestens teilweise ihre Existenzberechtigung ab.

Aber den Mangel gibt es nicht mehr.

Über das Web kann nun im Prinzip jeder genau wie Spiegel.tv Live-Fernsehen rund um die Uhr anbieten. Die Gefahr der politischen Einseitigkeit, wie man sie beim Fernsehen immer befürchtet hat (eine weitere Existenzberechtigung der öffentlich-rechtlichen Sender) gibt es dabei kaum: Im Netz ist schließlich Platz für alle. Schon klar, ein Angebot wie Spiegel.tv oder auch das Live-Streaming von ARD und ZDF zur Königshochzeit im April erfordert auf der Hardware-Seite noch immer gehörig viel Eisen. Aber dieses Problem wird sich mit schnelleren Servern analog zu Moore´s Law schrittweise lösen.

Also: Ich freue mich über das neue Angebot. Ich hätte gar nichts dagegen, wenn mittelfristig alles Fernsehen ins Netz wandert – nur hätte ich dann gerne einen schnelleren Web-Zugang.

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Die Zukunft des Nachrichten-Journalismus

Spiegel online beschäftigt sich heute in einem sehr lesenswerten Artikel mit der Frage, wie die gedruckte Zeitung, aber auch das Fernsehen mit dem veränderten Leserverhalten umgehen sollen. Gerade jüngere Leser holen sich ihre Nachrichten mittlerweile fast ausschließlich online, das Fernsehen ist nur noch Unterhaltungs-Medium (bereits an Tag Zwei nach Fukushima hatten in der ARD nicht die Nachrichten, sondern der „Tatort“ die beste Quote…). Die Zeitung wird zwar wahrgenommen und genutzt, aber nur in ihrer online- und nicht in der papiernen Form. Die gute Nachricht ist: Man kann etwas tun, um wieder nach vorne zu kommen – es gibt positive Beispiele.

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