Jeder kennt jeden – über 4,74 Ecken.

Facebook hat gerade eine Studie veröffentlicht, die sich mit dem Grad der Vernetztheit unter Facebook-Usern beschäftigt. Nach den Ergebnissen der Untersuchung kennt jeder Facebook-User jeden anderen über exakt 4,74 „Ecken“ oder Zwischenstufen. Im Jahr 2008 lag die Kennziffer noch bei 5,28 – damit sind die Facebooker heute deutlich vernetzter als noch vor drei Jahren. Das berichtet die Website „AllthingsD“ (Mehr Details hier).

So. Und was bedeutet das? Diese Vernetzungs-Geschichten gehen ja alle zurück auf ein berühmtes, aber leider arg in die Irre führendes Experiment des Soziologen Stanley Milgram. Der hatte Ende der 60er Jahre versucht herauszufinden, über „wieviele Ecken“ Farmer im amerikanischen Mittelwesten einen Börsenmakler in Boston kennen. Berühmt gewordenes Ergebnis: Es sind genau 6 Ecken. Daraus leitete man die Theorie ab, dass jeder Mensch jeden anderen auf der Welt über diese 6 Ecken kennt. Also: Ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der Dich kennt.

Eine ganze Forschungsrichtung ist aus diesem einen unseligen Experiment entstanden, Bücher wie „Tipping Point“ von Malcolm Gladwell und „Six Degrees“ von Duncan J. Watts beschäftigen sich mit der Theorie dahinter.

Heute wissen wir: Milgrams Experiment war eine Fälschung; in Wahrheit sind fast gar keine Briefe wirklich beim Empfänger angekommen – und die, die es taten, kamen gar nicht von Bauern, sondern von Bankern.

Es lohnt sich aber durchaus, an dieser Stelle nochmal auf den entscheidenden Schwachpunkt (und das hinkende Bein des Vergleichs mit sowas wie Facebook) hinzuweisen: Einen Brief verschicke ich 1:1, also EINEN Brief an EINE Person. Das ist schon vom Grundprinzip her nicht vergleichbar mit einem Facebook-Wallpost, das ja meist an ALLE meine Freunde geht, die es wiederum an ALLE ihre Freunde weiter-teilen oder „-liken“ können. Also: Broadcast. Rundfunk. Dass mit dieser Methode eine viel dichtere Art von Netzwerk entsteht, ist irgendwie klar. Kein Grund also, über die neue Studie überrascht zu sein – Zumal noch die soziologische Binsenweisheit hinzukommt, dass sich Facebook-User untereinander gerne mal durchaus ähnlicher sind als Facebook-Nutzer und Nicht-Facebook Nutzer.

Also: Möglicherweise ist es schön, dass wir so vernetzt sind. Überraschend ist es nicht.

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Wie der „Open Graph“ das Social Web tötet

Wieder so ein Schlagwort: „Open Graph“ – das heißt: Alles, was ich auf irgendeiner Website anschaue, anklicke, kommentiere oder „like“, erscheint auf meiner Facebook-Pinwand. Fachleute nennen das „frictionless sharing“, weil ich gar nichts mehr explizit tun muß, um meine Aktivitäten mit meinen Facebook-Freunden zu teilen (und ähnliches droht natürlich auch bei Google+ und Co).

Das Problem an der Sache fasst dieser Artikel bei TechCrunch sehr gut zusammen:

Durch das „frictionless sharing“ entsteht eine ungeheure Menge an „Rauschen“, die das „Nutzsignal“ zu überdecken droht: Schließlich gucke ich im Web auch unglaublich viel Quatsch an, verklicke mich mal, lese quer, schaue nur die ersten drei Sekunden eines Videos, bevor ich merke, dass es mich eigentlich nicht interessiert.

Das Lustige dabei ist, dass die Advokaten des „frictionless sharing“ offenbar noch nicht gemerkt haben, was sie da fordern – vermutlich deshalb, weil die Social-Media-Unternehmen groß geworden sind durch eine Art Grundreflex, der immer mehr Sharing (und damit immer mehr Inhalt für Facebook und die anderen) fordert. Ich bin mal gespannt, wie lange es noch dauert, bis ein Soziales Netzwerk auftaucht, dass sich von den anderen durch gezielte Reduktion des angebotenen Materials abhebt. Facebook versucht das ja schon seit einigen Wochen in seiner neuen Timeline – allerdings für die User (oder wenigstens mich) auf völlig intransparente Weise. Ich kapiere schlichtweg nicht, wie ich es schaffe, die richtigen, weil interessanten Artikel in meine Timeline zu bekommen. Und ich habe den fatalen Verdacht, dass mit jedem Klick auf einen Eintrag der Verfasser dieses Eintrags sukzessive immer „wichtiger“ wird für die Timeline und umgekehrt Facebook-Freunde, auf deren Einträge ich nicht klicke, irgendwann gar nicht mehr auftauchen. Diese Art „Teufelskreis“ führt irgendwann dazu, dass ich irgendwann nur noch im eigenen Saft schmore. Von daher: Wir brauchen intelligentere Lösungen, sonst ist der „Open Graph“ nicht beherrschbar. Und insofern bleibt es äußerst spannend.

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