„Sozialer Journalismus“ – ein neuer Beruf?

Jeff Jarvis
Jeff Jarvis – Foto: Eirik Solheim

In seinem immer sehr lesenswerten Blog „Buzzmachine.com“ hat der US-Journalist und Hochschullehrer Jeff Jarvis über eine Initiative seiner Hochschule Berichtet. Die „City University of New York“ will auf Vorschlag von Jarvis ein Curriculum namens „Social Journalism“, also zu deutsch etwa „sozialer Journalismus“ einführen.

Was aber soll das sein? Jarvis schreibt in seinem Antrag,

We see the need and opportunity to meet journalism’s mission of informing communities in new ways using the new tools afforded by the internet, resetting the profession’s relationship with the public and shifting its focus from content toward service.

Eine „Verlagerung des Schwerpunkts von Inhalt zu Service“ – aha? Heißt das etwa, wir berichten nicht mehr nur über die Eierpreise auf dem örtlichen Marktplatz, wir verkaufen jetzt auch die Eier?

Nicht ganz. Der scheinbar künstliche Widerspruch zwischen „Inhalt“ und „Dienstleistung“ (wir Journalisten sehen uns schließlich schon immer als Dienstleister) läßt sich relativ leicht auflösen.

Wenn ich ihn richtig verstehe, geht es Jarvis zwar durchaus um einen „tieferen“ Leserservice, als klassische Tageszeitungen ihn heute anbieten. Er meint, das „da sein für den Leser“ lasse sich auch über das Erstellen eines Berichts über gewisse Missstände hinaus noch weiter denken, etwa dahin, dass man etwa Diskussionsveranstaltungen organisiert (was es ja heute auch schon gibt) oder ähnliches.

Aber der Kern des Gedankens dreht sich um etwas anders. Nämlich um die von vielen klassichen Medien immer noch unterbewertete Tatsache, dass im Internet und in den sozialen Netzwerken sehr viel Inhalt „schon da ist“. Wenn etwa in einer dörflichen Gemeinde Jahrmarkt, Kirchweih oder Dorffest ist, dann findet sich darüber garantiert etwas auf Facebook. Wer unter den Lesern nicht bei Facebook ist, hat jedoch derzeit Pech gehabt, denn er sieht diesen Inhalt nicht.

Und natürlich: Vieles (bis das meiste), was „normale Leute“ online so posten, genügt natürlich keinerlei journalistischen Qualitätsansprüchen. Vulgo: Man weiß nicht, ob´s stimmt. Von handwerklichen Fragen wie dem korrekten Aufbau eines Textes oder auch nur dem Vorhandensein von Bildzeilen mal ganz abgesehen.

Insofern kann ich mir durchaus vorstellen, dass Journalisten ein neues und wichtiges Tätigkeitsfeld im so genannten kuratieren von Inhalten finden könnten. Auch neue Themen, sogar ganze Themenfelder können sich so erschließen. Und nicht zuletzt schärft ein genauerer Blick auf das im Netz bereits vorhandene sicherlich das Gespür, wenn nicht sogar das Wissen um die tatsächlichen Bedürfnisse des Lesers.

Und Insofern sage ich: Social Journalism ist möglicherweise eine richtig gute Sache – besser jedenfalls (zumindest auf den ersten Blick) als so viele eierlegende-wollmilchsau-Studiengänge an deutschen Hochschulen, in denen versucht wird, den medizinisch gebildeten Journalismus-Juristen mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund zu züchten – was ab und zu mal leider schief geht. Besser ist es da schon aus meiner Sicht, mein bleibt  – wie die CUNY – erst mal beim inhaltlichen und entwickelt dieses Aufgabengebiet aber Richtung Zukunft weiter.

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Die Polizei-Drohnen kommen!

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Eine Drohne eines amerikanischen Herstellers, die auch der Polizei angeboten wird (Foto: Draganfly)

Und wieder wird eine düstere Prophezeihung aus der Welt der Science Fiction wahr: Die Polizei geht jetzt auch mit Drohnen auf Verbrecherjagd. Zwar noch nicht in Deutschland (und noch nicht im Regelbetrieb) – aber immerhin: Wie heise online heute berichtet, geht der Sheriff von North Dakota mittlerweile auch per Drohne auf die Pirsch.

Müssen wir uns da Sorgen machen?

Ich meine: Es kommt drauf an. Natürlich ist es ziemlich egal, ob eine Verfolgungsjagd per Hubschrauber oder per Drohne durchgeführt wird, und ob man einen Tatort von einer Feuerwehrleiter oder mittels Drohne fotografiert. Beziehungsweise: In beiden Fällen ist die Drohne sicher die bessere Wahl, da billiger, schneller einsetzbar, flexibler und ohne Gefahr für Menschen.

Aber eine Drohne kann ja noch viel mehr als ein Hubschrauber. Zum Beispiel in Gebäude eindringen, falls zufällig ein Fenster offen steht. Oder, wenn sie besonders klein ist (solche Maschinchen sind ja schon in der Entwicklung) kann sie auch einfach durchs Schlüsselloch fliegen. Und ob sich der jeweilige Operator jedesmal vorher einen Durchsuchungsbeschluß holt, ist da schon sehr die Frage.

Und natürlich ist auch die Frage, ob die Schlüsselloch-Drohne für immer und alle Zeiten unbewaffnet sein wird…

Der andere Punkt ist: Drohnen können sich wesentlich besser verstecken als Hubschrauber. Das muß kein Nachteil sein, wenn man berechtigterweise irgendwelchen Schwerverbrechern auf der Spur ist. Aber auf der anderen Seite hat man hier ein spottbillig zu habendes in großer Stückzahl beschaffbares Mittel zur Observation großer Menschenmengen an der Hand. Man sollte hier auch nicht vergessen, dass viele Drohnen heute schon völlig autonom fliegen können, man also keine Heerscharen von „Piloten“ braucht, um sie zu bedienen. Das ist insgesamt schon eine Gemengelage, über die der Gesetzgeber sehr genau nachdenken sollte, bevor er Drohnen-Einsätze der Polizei in Deutschland zuläßt.

Aber wie gesagt: Wenn dieser Denkprozess tatsächlich stattfindet, dann kann das Ganze sogar ein Fortschritt sein. Aber es muß nicht.

 

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Was Big Data, Wearables und Quantified Self miteinander zu tun haben

Es tut sich derzeit wieder ein neuer Trend auf, der mittel- und sogar kurzfristig großen Einfluss auf unser aller Leben und damit auch auf die Politik gewinnen wird: Der Zusammenhang zwischen Big Data, Wearable Computing und QS (“Quantified Self”). In den USA und teilweise auch in den Europa gibt es eine wachsende Anzahl von Leuten, die ihre gesamten Lebensdaten mitloggen. Also etwa: Den Aufenthaltsort, die momentane Stimmung, den Ausblick aus dem Bürofenster – aber auch solche Sachen wie: Was habe ich heute gegessen? Wieviele Kalorien hatte das? Wieviele davon habe ich wieder abgebaut (und diesen Abbau mit meinem Nike Fuelband gemessen)?

Und das ist noch längst nicht alles. Amerikanische Forscher haben herausgefunden, dass die Art, wie jemand auf seiner Computertastatur tippt, eine Demenz-Diagnose stellen kann. Eine Analyse mehrerer Millionen Tweets hat ergeben, dass sich damit eine Grippewelle akkurater vorhersagen lässt, als es etwa das “Center for Disease Control” (CDC) oder Google können.

Das alles wird Realität, weil immer mehr Geräte auf immer einfachere Art immer mehr Daten liefern. Wer heute alle Möglichkeiten nutzt, der erzeugt eine Datenmenge von 1,8 Millionen Megabyte pro Jahr (oder neun komplette CD-ROMs jeden Tag). Eine normal ausgestattete Boeing 777 hat so viele Sensoren an Bord, dass während eines nur dreistündigen Fluges ein Terabyte Daten gesammelt werden – das entspricht der Textmenge sämtlicher Bücher in der Washingtoner “Library of Congress”. Und es kommt noch wilder: Herzschrittmacher sprechen mit dem WLAN. Ich selbst habe seit kurzem einen „Narrative Clip“, ein kleines Plastik-Ansteckerchen, das automatisch alle 30 Sekunden ein Foto macht, mit GPS-Koordinaten versieht und dann in die Cloud hochlädt. Mein Freund Matthias liebäugelt mit einer Google-Brille – er wird sich sicher eine kaufen, wenn sie in Deutschland erhältlich und vielleicht nicht mehr ganz so teuer ist. Immer mehr Leute haben also immer mehr vernetzte Gadgets. Schon seit 2008 gibt es mehr Geräte, die mit dem Internet verbunden sind, als Menschen auf der Welt wohnen.

Die Chancen sind gigantisch, die Risiken enorm: Mithilfe großer Datenströme lassen sich Dinge anstellen, die wir eigentlich nicht für möglich halten. So hat ein großes Forschungsprojekt bei Microsoft, bei dem die GPS-Daten von einigen tausend Smartphone-Nutzern ausgewertet wurden, ein mathematisches Verfahren ergeben, das schier unglaubliches leistet: Es kann – nur aufgrund der GPS-Daten – mit ca. 80%iger Wahrscheinlichkeit den Aufenthaltsort eines Menschen auf ca. 100 Meter genau voraussagen – und das anderthalb Jahre im Voraus.

Genauso lassen sich aber auch Krankheiten vorhersagen, und damit vielleicht auch verhindern. Ein weiteres Forschungsprojekt hat mehrere Millionen Tweets aus New York daraufhin analysiert, ob darin Informationen über eine Infektionskrankheit (z. B. Grippe) enthalten sind. Der Algorithmus, der als Ergebnis dieser Studie entstanden ist, kann die Ausbreitung einer Infektionskrankheit tatsächlich vorhersagen.

Alle diese Einzel-Phänomene lassen sich auf einen einfachen Nenner bringen: Es gibt keinen Ausweg. Viele Menschen denken ja immer noch: „Wenn ich bei Facebook und Googlemail nicht mitmache, kann mir ja nix passieren“ . Aber das ist schlicht falsch. Man denke nur an ein Phänomen namens „Data Leakage“, das fast schon im Alleingang dafür sorgt, dass diese Prämisse falsch ist. Nehmen wir nur mal an, ich selbst mache bei keinerlei Social Network oder ähnlichem mit. Aber mein bester Kumpel registriert sich für WhatsApp. Dann wird automatisch sein Telefonbuch zu WhatsApp hochgeladen – und damit auch meine gesamten Daten, denn ich stehe ja auch in diesem Telefonbuch.

Also: Wir haben definitiv keine Chance mehr, den Datenkraken zu entkommen. Also bleibt nur eines: Wir (und das bedeutet auch: Wir als Gesellschaft) müssen lernen, in der Welt der Daten zu leben und mit ihr klarzukommen. Das heißt: Der Schulunterricht muß sich ändern und diese Dinge berücksichtigen. In den Familien muß die Kompetenz dafür wachsen – das heißt vor allem: Bei den Eltern. Aber auch der Gesetzgeber muß sich besser mit Facebook und Co auskennen, als das heute der Fall ist. Und schließlich braucht man politisch-gesellschaftliche Mechanismen, wie man in einer Welt der Nationalstaaten, die wir ja heute immer noch haben, mit übernationalen Phänomenen wie Facebook und Co. umgehen kann.

Das sind wahrlich alles große Aufgaben. Aber anfangen müssen wir irgendwann.

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Die „Data Natives“ sind da!

„Digital Natives“, das wissen wir mittlerweile alle, sind Leute, die mit iPad und Internet aufgewachsen sind. Kinder, die versuchen, die Bilder in einer Zeitung (aus Papier) anzuklicken. Leute, die den Siedepunkt von Olivenöl nicht bei Brockhaus, sondern Wolfram Alpha nachschlagen.

Aber „Digital Natives“ sind jetzt auch schon von gestern. Die allerneueste Generation ist da. Sie heißt: „Data Natives“.

Was das ist, habe ich in einem sehr schönen Beitrag von Monica Rogati bei recode.net gelesen. In aller Kürze: Digital Natives programmieren ihren Heizungs-Thermostat. Data Natives erwarten, dass sich der Thermostat von selbst programmiert. Digital Natives benutzen voller Stolz die mobile App von Starbucks. Data Natives erwarten, dass die App gelernt hat, welche Sorte Kaffee sie mögen, und ganz von alleine die Bestellung aufgibt.

Gibt es solche Leute überhaupt? Ja klar. Vielleicht bin ich sogar einer davon. Wie viele wir sind, das ist derzeit noch die ganz andere Frage. Aber interessant ist das Phänomen hinter dem Phänomen.

Monica Rogati macht hier zwei wichtige Punkte aus. Einmal das sattsam bekannte „Big Data“, also vereinfacht gesagt die Tatsache, dass man mehr oder weniger alles machen kann, wenn man nur genügend Daten(sätze) von genügend Menschen hat. Und zweitens der Trend zu „Wearables“, also Rechnern in irgendeiner Form, die man am Körper trägt.

Dafür nur ein kleines Beispiel aus meinem eigenen Erleben, auf das ich demnächst hier noch ausführlicher eingehe.

Seit kurzem bin ich stolzer Besitzer eines so genannten „Narrative Clip“. Das ist ein kleiner Anstecker, ca. drei mal drei Zentimeter groß, in dem ein kleiner Rechner, ein GPS und eine Handy-Kamera steckt. Das Ding heftet man sich einfach ans Revers, und dann macht es alle 30 Sekunden automatisch ein Foto.  Am Ende des Tages lädt man alle Fotos hoch in die Cloud, wo sie von einem Algorithums ausgewertet werden. Der schmeißt unscharfe, unterbelichtete oder seiner „Meinung“ nach irrelevante Fotos weg und teilt den Tag in so genannte „Moments“, also Ereignisse auf.

Das Ganze funktioniert beileibe noch nicht perfekt. Aber es funktioniert schon so gut, dass ich mittlerweile erwarte, dass eine bestimmte Situation oder Szene aus meinem Tagesablauf „automatisch“ in meinen „Moments“ auftaucht. In Meinem Kopf hat sich also etwas verändert. Früher habe ich gedacht: „Ui, das ist grade spannend/schön/skurril, da hol ich doch mal die Kamera oder das Handy raus und mache ein Foto“.Und heute erwarte ich, dass der Narrative Clip automatisch das Foto macht.

Auf dieses Phänomen gibt es im Grunde zwei mögliche Reaktionen. Die eine heißt Panik, und sie ist durchaus nicht ganz unberechtigt.

Die andere aber ist die Vision einer vielleicht nicht nur einfacheren (nie mehr schwere Kameras schleppen!), sondern vielleicht sogar besseren Welt. Einer Welt, in der uns IT im weitesten Sinne viele Alltags-Probleme abnimmt und uns mehr Zeit verschafft für die wirklich wichtigen Dinge. Welche das aber sind – das müssen wir schon noch selbst entscheiden.

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Facebook kauft WhatsApp: Das Ende des Datenschutzes

Jetzt wird es wirklich eng. Wie der Tech-Blog re/code meldet, hat Facebook seinen schärfsten Konkurrenten WhatsApp gekauft – für sage und schreibe 19 Milliarden US-Dollar. Zuletzt war immer wieder geunkt worden, Facebook habe – gerade in der jungen Zielgruppe – seine Marktführerschaft im Bereich der Sozialen Netzwerke an WhatsApp abgeben müssen, oder sei gerade dabei.

Mit dem Kauf wiederholt sich eine Strategie, die vor Jahresfrist erstmals sichtbar wurde: Damals hatte sich abgezeichnet, dass immer mehr User statt Facebook das Foto-Netzwerk Instagram benutzten. Und schwupp: Schon hatte Facebook Instagram geschluckt und damit nicht nur einen Konkurrenten vom Markt gefegt, sondern auch einen riesigen Datenschatz an Userdaten und nicht zuletzt den Fotos selbst erworben. Mit „nur“ einer Milliarde Dollar war Instagram jedoch vergleichsweise ein Schnäppchen.

Den WhatsApp-Deal macht aber nicht nur diese Strategie so bemerkenswert. Entscheidend ist auch nicht die Tatsache, Dass Facebook offenbar jeden Preis bezahlen kann, den ein potenzieller Konkurrent aufruft.

Wichtig ist vielmehr ein genauerer Blick darauf, wie WhatsApp Geschäfte gemacht hat.

Erstens: WhatsApp ist nicht komplett kostenlos. Wer den vollen Funktionsumfang nutzen möchte, muß eine geringe Jahresgebühr bezahlen. Das mag zunächst irrelevant klingen, ist jedoch innerhalb der Kostenlos-Kultur des Internets, wie wir es kennen, nichts weniger als ein Paradigmenwechsel. Denkt man diese Methodik auf die Größe von Facebook weiter, dann reden wir hier plötzlich von Milliarden-Umsätzen, die quasi „aus dem Nichts“, nämlich mit bereits bestehenden Usern, erwirtschaftet werden können.

Zweitens: WhatsApp war der schlimmste Datenkrake im Internet – weitaus schlimmer noch als der neue Besitzer Facebook, der ja selbst oft genug wegen seiner umstrittenen Praktiken am Pranger stand. Im Gegensatz zu praktisch allen anderen Online-Diensten kann man bei WhatsApp nur mitmachen, wenn man vorher (!) sein gesamtes Telefonbuch auf die Server des Anbieters hochlädt – was in Deutschland bereits einen eklatanten Verstoß gegen die Datenschutz-Gesetzgebung bedeutet. Streng genommen hat sich also bis dato jeder einzelne deutsche WhatsApp-User bereits mit seinem Beitritt zu dem Dienst strafbar gemacht – was offenbar die wenigsten so richtig gestört hat. Wenn man auch dieses Phänomen auf die gut 30 Millionen deutschen Facebook-Nutzer hochrechnet, bleibt nur noch eine Diagnose: Datensutz – ade!

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Wird WhatsApp das neue Facebook?

In letzter Zeit höre ich in vielen Gesprächen immer dieselbe These: Facebook stirbt, insbesondere die junge Generation – aber nicht nur sie – weicht zunehmende auf den Messaging-Dienst „WhatsApp“ aus. Nach einem Bericht des „Focus“ von Januar hat der Dienst weltweit mittlerweile 400 Millionen aktive (!) Nutzer, in Deutschland sollen es über 30 Millionen sein.

Nun: Nicht neu ist die Erkenntnis, dass es keinerlei Solidarität der Nutzer zu einem bestimmten Sozialen Netzwerk gibt. Ob Friendster, MySpace, StudiVZ oder Lokalisten: Sie alle waren einst mehr oder weniger erfolgreich und sind heute mehr oder weniger in Vergessenheit geraten. Denn: Die User gehen immer dorthin, wo ihr Umfeld bereits ist. Oder anders gesagt: Ein soziales Netzwerk, in dem ich keine Bekannten vorfinde, ist für mich in der Regel völlig unattraktiv.

Derzeit ist das „Netzwerk, wo alle sind“ für die Mehrheit der Menschheit eben Facebook. Aber das muß keineswegs so bleiben. Ich kann zum Beispiel gut verstehen, wenn jemand das Interface von Facebook für völlig überladen und unlogisch hält – das sehe ich genauso. Es ist auch der Grund dafür, weshalb ich Twitter wesentlich lieber nutze als Facebook: Dort ist alles so schön klar und einfach. Wie bei WhatsApp.

Die Plattform hat allerdings (zumindest in Deutschland) ein riesiges Problem: Man kann nicht mitmachen, wenn man nicht zulässt, dass WhatsApp das komplette E-Mail-Adressbuch ausliest. Nur ist genau das nach deutschem Recht leider ein massiver Verstoß gegen den Datenschutz. Damit macht sich streng genommen jeder strafbar, der bei WhatsApp mitmacht und dessen E-Mail-Adressbuch nicht komplett leer ist.

Die meisten Leute scheint das nicht zu stören – und das ist das nächste Problem. Denn Verstöße gegen den Datenschutz sind erstens kein Kavaliersdelikt, und zweitens sind genau die Leute, die ohne Zögern ihre Mailkontakte preisgeben, in aller Regel die ersten, die sich beschweren, wenn ihre eigenen Daten ohne ihr Wissen irgendwo hingeschickt werden.

Ich kann wirklich nur davor warnen, so leichtsinnig mit den Daten anderer umzugehen – und ich kann nur hoffen, dass sich WhatsApp nicht noch mehr durchsetzt, solange diese Funktion aktiv ist.

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3D-Druck: Ein riesen Copyright-Problem?

„Der 3D-Druck wird mit realen Gegenständen das tun, was mp3 mit der Musik gemacht hat“. So zitiert die New York Times den Jura-Professor Steven R. Desay.

Klar: Das könnte passieren. Denn schicke Designerteile (jedenfalls, wenn sie nicht zu groß, zu bunt oder nicht aus Plastik sind) braucht man künftig nicht mehr kaufen. Man muß sie nur einscannen und kann sie dann auf dem 3D-Drucker daheim wieder ausgeben – und das theoretisch in unendlicher Auflage.

Jetzt reden wir mal nicht davon, dass die Technik derzeit noch nicht sehr weit ist, die heute verfügbaren Drucker ziemlich langsam sind und eine eher grobe Auflösung bieten. Ich kann mich noch gut an Zeiten erinnern, da es zwei Stunden gedauert hat, eine Audio-CD in mp3-Files zu verwandeln. Ich halte es für relativ sicher, dass wir eine ähnlich rasante Entwicklung wie im gesamten Computerbereich auch bei den 3D-Druckern bekommen – spätestens dann, wenn die Dinger noch ein bißchen billiger und noch ein bißchen nutzerfreundlicher geworden sind.

Sicherlich ist es aber so, dass manche „Objekte“ einfacher zu reproduzieren sind (die Sonnenbrille aus Plastik), andere schwerer (die Gucci- oder Prada-Schuhe) und wieder andere gar nicht (der handwerklich gearbeitete Kirschholz-Griff eines Designermessers). Will heißen: Digital gespeicherte Musik besteht aus Nullen und Einsen, die man problemlos kopieren und danach per DAC wieder in analoge Musik zurückverwandeln kann. Aber die physische Welt besteht aus Atomen. Und da gibt es halt Kohlenstoff (den Grundstoff jedweden Plastiks) ebenso wie Holz, Metalle, komplexe organische Verbindungen. Es wird sicherlich noch sehr lange dauern, bis man einen schönen Rotwein aus dem Bordeaux einfach nachdrucken kann.

Insofern glaube ich: Ja, es wird ein Problem geben, und auch der 3D-Druck wird die Welt ein Stück weit verändern. Aber die guten Dinge werden bleiben.

 

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Blogbuster gibt auf: Wer will Filme noch kaufen?

Die einstmals gigantische US-Videohandelskette Blogbuster (in der Spitze hatte man über 9.000 Filialen) gibt dieser Tage auf. Der Grund ist: In den letzten Tagen, also seit seinem Höhepunkt, ist der Markt für Filme auf physischen Datenträgern wie DVD und Bluray um zwei Drittel eingebrochen. Der Gewinn von Blogbuster, zu Spitzenzeiten im Jahre 2004 knappe 6 Milliarden US-Dollar, betrug zuletzt nur noch 120 Millionen.

Und es gibt andere interessante Entwicklungen: So haben sich zuletzt auch die Mitgliederzahlen des online-DVD-Verleihts „Netflix“ halbiert – und das innerhalb der letzten zwei Jahre.

Es scheint also schon sehr viel für die These zu sprechen, dass (jedenfalls in den USA) kaum noch jemand Filme auf physischen Datenträgern haben will. Stattdessen boomt der digitale Vertrieb über iTunes, Amazons Lovefilm und andere Dienste.

Der eigentlich spannende Punkt aber ist ein anderer. Obwohl es auch in der digitalen Welt wesentlich einfacher ist, Filme zu kaufen als sie zu mieten (und es viele Filme auch gar nicht mit einer „Miete mich“-Option gibt), machen Vermietungen über 80% des Gesamtumsatzes aus.

Das heißt auf gut Deutsch: Immer weniger Leute verstehen noch, weshalb sie einen Film (oder, schlimmer noch, eine Folge einer TV-Serie) überhaupt kaufen sollen, wenn sie den betreffenden Titel ohnehin meist nur einmal anschauen (und wenn man den Film partout nochmal sehen möchte, kann man ihn ja nochmal mieten und zahlt immer noch weniger als beim Kauf).

Im Endeffekt hat das zwei wesentliche Folgen:

  1. Der Umsatz der Filmindustrie sinkt, denn im Mitpreis für einen Film in digitaler Form ist naturgemäß viel weniger Marge als im Verkauf einer DVD
  2. Wenn der Umsatz zu sehr sinkt, gehen nicht bloß die Gewinne zurück, sondern es wird zunehmend das Kapital fehlen, um aufwändige Hollywood-Großprojekte zu stemmen. Für dieses Problem scheint es noch keine Lösung zu geben. Und gleichzeitig wird die Chance der digitalen Produkten, nämlich Grenzkosten nahe Null, nach meinem Eindruck nicht wirklich dazu genutzt, neue Talente oder experimentelle Formate auszuprobieren.

Spannende Zeiten stehen uns bevor.

 

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